Ausgabe 4 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Ein Verlag ist immer nur so gut wie die Arbeit der Autoren"

Peter Engstler über seinen Kleinstverlag als Schnittstelle

Der Verlag von Peter Engstler ist ein Forum für Autoren, die von der Beat Generation angeregt wurden und die subversive popkulturelle Impulse verfolgen: etwa Jürgen Ploog, Paulus Böhmer und Jörg Burkhard. Die letzte Nummer von Engstlers unregelmäßig erscheinender Zeitschrift Der Sanitäter (9/02) ist nicht von ungefähr eine Hommage an Allen Ginsberg. Zu Engstlers Autoren zählen aber auch Bert Papenfuß (Rumbalotte Continua) und Helmut Höge (Neurosibirsk). Dieses Jahr soll ein „Traktat" von Ulf Stolterfoht erscheinen. In den Reihen „Engpol Medien" und „Medien Streu" kommen auch Tondokumente und Videos von Lesungen und Performances heraus. Als Autor hat der 1955 geborene Peter Engstler zuletzt den Band Sprachland veröffentlicht. www.engstler-verlag.de

Wenn man einen Verlag gründet, dann doch wahrscheinlich aus einem Gefühl des Defizits heraus ­ weil die Bücher, nach denen man sucht, nirgends erscheinen. Wie war das in deinem Fall?

Das Hauptinteresse, die Hauptabsicht war und ist, die Arbeit der jeweiligen Autoren zu präsentieren, also neue Arbeiten zu publizieren und nicht aus einem Gefühl des Defizits heraus zu agieren, mehr sich in einer gewissen Reihe zu orten, verlegerisch. Ein allererster Impuls war, die Arbeiten von Gegenwartsautoren zu publizieren, begleitend dazu die Zeitschrift Der Sanitäter. Zeitschrift für Text und Bild, die es ermöglicht, in bestimmte Richtungen zu sondieren, auch zu positionieren.

Du bestellst als Verleger ein Feld, das man vielleicht mit den Stichworten Beat, Popliteratur und Subversion auch durchaus im politischen Sinne skizzieren könnte. Wie würdest du dein Interesse an Literatur beschreiben?

Da fällt mir bei den von dir genannten Stichworten die Konstellation Beat und Popliteratur auf. Bei mir ist es so, daß der Begriff Pop für mich immer nur ein mildes Schimpfwort gegen Mainstream-Sound war, ähnlich sehe ich es bei der sogenannten Popliteratur. Daran habe ich kein Interesse. Ich beschäftige mich mit bestimmten Themen, dabei befinde ich mich in einem existenziellen Rahmen, da interessiert mich das Wort, die Sprache; Poesie und Politik interessiert mich, und dann interessiert mich immer das neue Buch, die neue Arbeit. Ein Ableger davon sind die Erstübersetzungen, die ich im Deutschen publiziert habe. Aus dem Russischen, Englischen, Französischen, ins Hebräische.

Wie gelingt dir das ökonomische Überleben? Wie finden deine Bücher zu den Lesern?

Das ökonomische Leben, Überleben des Verlags funktioniert nur über einen Brotberuf und eine beschränkte Anzahl von Titeln, die jedes Jahr erscheinen können. Eine gewisse Anzahl von Buchhandlungen werden bereist, Rezensionen kommen dazu, die Teilnahme an Buchmessen und dann das einfache Interesse, die Neugier des literarischen Publikums.

Was heißt es, Verleger in einem kleinen Dorf zu sein?

Die Frage habe ich mir noch nie gestellt. Ich habe ganz einfach als Wohnort hier das Dorf Oberwaldbehrungen, angeschlossen an die Kleinstadt Ostheim/
Rhön, so wie andere in einer eben etwas größeren Stadt wohnen.

Du bist Verleger und Autor in einer Doppelrolle. Hat das mehr Vor- oder Nachteile?

Ich will das eine nicht vom anderen trennen oder mit ihm verbinden. Ich bemühe mich, mein eigenes Schreiben zu schreiben. Ich publiziere nicht in einem anderen Verlag, nur dem eigenen, in der Reihe „Medien Streu". Ich würde das aber nicht ausschließen, ich kümmere mich einfach nicht darum. Hervorheben möchte ich noch diverse Veranstaltungen, Lesungen etc., die ich seit über 20 Jahren durchführe. Ich finde den Begriff Forum, Schnittstelle überaus wichtig. Mir ist daran gelegen, die Befindlichkeiten, Zuweisungen aufzuheben. Mich interessiert das Wort, natürlich auch der- oder diejenige, die es schreiben. Sowohl als Autor als auch als Verleger als auch bei meiner jetzigen Brotarbeit mit geistig behinderten Erwachsenen, von denen nicht alle sprechen und/oder schreiben. Und da beginnt das Wort.

Die großen Verlage gehen immer weniger Risiken ein, machen ein immer stärker vom Markt diktiertes Programm. Ist das eine Chance für die „Kleinen"? Wie hat sich die Rolle von Kleinverlagen in letzter Zeit geändert, wie siehst du sie in ein paar Jahren?

Ich befinde mich etwas außerhalb der von dir genannten Kategorien. Ich bezeichne mich, wenn ich danach gefragt werde, als Kleinstverlag. Obwohl es mir lästig ist, dieses Labeldenken des Betriebs oder vieler Frager. Es entscheidet immer nur das Buch, die Arbeit des Autors. Ein Verlag ist immer nur so gut wie die Arbeit der Autoren. Schriftsteller wird es immer geben, damit auch Verlage. Die Anzahl der Leser ist schwankend.

Interview: Florian Neuner

 
 
 
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