Ausgabe 4 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kurzkultur

ziererei

Einen Theaterabend mit Werkstattcharakter bringt der Filmemacher Carl Andersen jetzt auf die Bühne der Brotfabrik: Lick a Pussy Like an Apple ­ The Stageplay Schiller never wrote. Wie schon in einem semi-dokumentarischen Film, den Stanislawski niemals gedreht hat, stehen die Konflikte der Darsteller untereinander und mit der Regisseurin im Vordergrund ­ und sollen jeden Abend eine andere Wendung nehmen. Besonders die Sexszenen, die den Schauspielern bevorstehen, bringen Unruhe in das Ensemble. Gespielt wird das Stück auf „Foreign English". Ob das Radebrechen amüsiert oder nervt, bleibt abzuwarten.

* „Lick a Pussy Like an Apple – The Stageplay Schiller never wrote" von Carl Andersen vom 11. bis zum 14. Mai um 20.30 Uhr und am 15. Mai um 19.30 Uhr in der Brotfabrik am Caligariplatz, Weißensee

malerei

Die Malerei ist derzeit im Kommen ­ auf dem Kunstmarkt eine Tatsache, wird von Kuratoren und Kritikern eine neue Relevanz des Mediums herbeigeredet. Zu ihrem 40jährigen Bestehen stellt nun auch die Galerie im Turm, der „Raum für Kunst" in Friedrichshain, die Malerei in den Mittelpunkt. Einige der Künstler haben ihre Ausbildung in der DDR erhalten, wo das Medium sowieso immer dominierte, andere haben in Westberlin zum Malen gefunden.

* „La Passion de la Peinture I" (Lothar Böhme, Martin Colden, Dieter Goltzsche, Michael Hegewald, Mark Lammert, Walter Libuda, Cornelia Schleime) vom 28. April bis zum 27. Mai in der Galerie im Turm, Frankfurter Tor 1, Friedrichshain, Di bis So 14 bis 20 Uhr

plackerei

Am Freitag, dem 30. April, um 19 Uhr eröffnet im Kreuzberg Museum die Ausstellung ... ein jeder nach seiner Façon? 300 Jahre Zuwanderung nach Kreuzberg und Friedrichshain. Beginnend bei den hugenottischen und böhmischen Glaubensflüchtlingen bis hin zu Arbeitsmigranten der Nachkriegszeit, thematisiert die Ausstellung ihre Integration oder Ausgrenzung, die Konflikte zwischen Immigranten und der ansässigen Bevölkerung, aber auch die allmähliche Veränderung des Stadtbezirkes durch die Einwanderer.

* „... ein jeder nach seiner Façon? 300 Jahre Zuwanderung nach Kreuzberg und Friedrichshain", noch bis zum Ende des Jahres im Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95 A, Mi bis So 12 bis 18 Uhr

flennerei

Matrix der Gefühle ­ Das Kino, das Melodram und das Theater der Empfindsamkeit ist der Titel eines Buches, in dem der Professor für Filmwissenschaft an der FU, Hermann Kappelhoff, die Kulturgeschichte des sentimentalen Genießens untersucht. Er versteht dabei die Tränenseligkeit nicht einfach als eine Banalisierung eines höheren ästhetischen Gefühls, sondern vielmehr als eine kulturelle Praxis der ästhetischen Einübung der Verinnerlichung. Dabei zeigt er eine Entwicklung vom bürgerlichen Theater der Empfindsamkeit des 18. Jahrhunderts bis zum modernen Hollywood-Melodram auf. Um die Studie nachvollziehbar zu machen, wird Kappelhoffs Buch im Kellerkino Arsenal nicht nur verkauft, die Filme, die in dem Buch analysiert werden, werden dort auch gezeigt. Darunter, wenig originell, der Titanic-Schinken von James Cameron (1997) oder Magnificent Obsession (1953), aber auch Josef von Sternbergs Blonde Venus (1932) und eine Verfilmung der Kameliendame von 1936.

* „Matrix der Gefühle" vom 1. bis zum 26. Mai im Kino Arsenal im Filmhaus am Potsdamer Platz, Tiergarten. Die jeweiligen Termine finden sich im Netz unter www.fdk-berlin.de.

klugscheißerei

Im Hebbel am Ufer vermietet die Mobile Akademie 100 Experten für jeweils einen Euro pro halbe Stunde, die live jene Begriffe lexikalisieren, die derzeit inflationär, aber wohl oftmals unverstanden durch die Gegend geistern, wie zum Beispiel „Arbeit" oder „Urbanismus". An Einzeltischen werden diese Experten dann einen Ausschnitt ihres Wissens vorstellen, der leicht erzählbar und erlernbar sein soll. Wer keinen eigenen Experten buchen möchte, kann auch über Kopfhörer den Dialogen anderer lauschen. Parallel dazu spricht die Soziologie-Professorin Barbara Duden über den „Körper als Ort des Lernens und Schauplatz des Vergessens". Mal sehen, was davon bei den Zuhörern hängenbleiben wird.

* „Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen" am Sonnabend, dem 7. Mai, von 20 bis 24 Uhr im HAU 2, Hallesches Ufer 32, Kreuzberg. Vollständiges Programm unter www.mobileacademy-berlin.com

sängerei

Der Schokoladen, unser Nachbar, macht die erste Maiwoche zu einer „Kulturwoche: Für die Fortsetzung von Alternative Kultur in Mitte". Das können wir nur unterstützen! Am 3. Mai etwa tritt in unserer Stammkneipe Dota, die Kleingeldprinzessin auf, am 5. Mai die Leopold Kraus Wellenkapelle und die Baywatchers, tags darauf dann die Rebel Kings, jeweils um 21 Uhr.

* „Kulturwoche: Für die Fortsetzung von Alternative Kultur in Mitte" vom 29. April bis zum 7. Mai im Schokoladen, Ackerstr. 169, Mitte, www.schokoladen-mitte.de

quälerei

Ben Wargin nervt. Schon lange, mit seinen ach so gutgemeinten, ästhetisch so plumpen „Kunstwerken" für Friede, Freude und bessere Luft und gegen Krieg und Gewalt und all diese schlimmen Dinge. Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes möchte der selbsternannte Aktionskünstler natürlich nicht zurückstehen und beglückt die Stadt mit einem „Meer von Sonnenblumen". Schülerinnen und Schüler aus 4. Klassen, passenderweise der Anne-Frank-Grundschule in Mitte und der Regenbogen-Grundschule in Neukölln, haben am 25. April auf dem Bertolt-Brecht-Platz vor dem Berliner Ensemble zusammen mit Wargin Samen ausgestreut (Zitat: „Die Kot des Regenwurm ist der Dünger für Leben& Wachstum. Licht&Wasser lassen wachsen. Wind und Tiere ermöglichen Befruchtung und den Weitergang des Lebens. Werde ein Sonnenbote und schaffe deine Lichtoase als nachhaltiges Zeichen gegen Krieg, Gewalt und Ignoranz.") Wenn nichts Unerwartetes passiert, werden auf dem Platz wohl ein paar Sonnenblumen wachsen.

www.sonnenboten.de

leserei

Gerhard Rühm, vor kurzem 75 geworden, ist einer der vielseitigsten Autoren unserer Tage. Er hat Musik studiert und an der Hamburger Kunsthochschule unterrichtet, überschreitet als Künstler Gattungsgrenzen. Daß er nach wie vor eigentlich nur Insidern bekannt ist, liegt daran, daß in den Feuilletons nur biedere Erzählware, Kolportage und erbauliche Lyrik wahrgenommen werden. Erbauen will Rühm, der in den sechziger Jahren in Westberlin lebte, aber nicht. Ein Berliner Verlag, der literarisch eigentlich gar nicht profilierte Parthas Verlag, ist es jetzt auch, der eine zehnbändige Werkausgabe in Angriff nimmt. In der literaturWERKstatt ist Rühm am 25. Mai zusammen mit seiner Frau Monika Lichtenfeld zu erleben, die er gerne in Sprech-Performances einbezieht.

* Gerhard Rühm liest am 25. Mai um 20 Uhr in der literaturWERKstatt in der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

 
 
 
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