Ausgabe 3 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

„... und wünschen ihnen weiterhin viel Erfolg"

Die Absageagentur eröffnet ihr Büro in Kreuzberg

Noch ist das Arbeitsamt bekanntlich mit der internen Umstrukturierung beschäftigt und hat derzeit kaum Kapazitäten, ihre sogenannten Kunden mittels Androhung von Leistungsentzug zu zwingen, eine Mindestzahl von Bewerbungen pro Woche abzuschicken und die entsprechenden Absagen zu sammeln. So bleibt ihnen immerhin erspart, jeden Morgen Schriftstücke aus ihrem Briefkasten zu fischen, in denen unmißverständlich formuliert ist, daß sie zu alt, zu inkompetent, zu unerfahren sind und überhaupt den derzeitigen Anforderungen des Marktes nicht genügen.

Doch da sich das Arbeitsamt wohl bald wieder mit dem Managen von bisher unvermittelbaren Fällen beschäftigen wird, bietet das Projekt Absageagentur den gebeutelten Arbeitslosen ­ ganz im Duktus des imagepolierten Amtes ­ einen „effizienten Service, professionelle Betreuung und individuelle Lösungen an": Die Absageagentur hilft, auf unzumutbare Stellenangebote angemessen zu reagieren. Die auf der Internetseite www.absageagentur.de heruntergeladenen Absageformulare können ausgefüllt per Mail oder Post an die Agentur geschickt werden, die sie an die entsprechende Firma weiterleiten wird. Der Kunde erhält dann eine Kopie seiner Absage sowie gegebenenfalls der Reaktion des abgelehnten Unternehmens. Selbstverständlich sind diese Serviceleistungen kostenlos. Die Druck- und Portokosten des Projektes trägt der im Mehringhof ansässige Netzwerk e.V.

Um die Auswahl passender Jobangebote zu erleichtern, wurde die Seite der Absageagentur mit den Stellenanzeigen größerer Berliner und überregionaler Zeitungen verlinkt. Natürlich sind auch ­ ganz im Sinne des offiziell geforderten eigenständigen Engagements ­ Initiativabsagen möglich. Die Absageagentur hilft gerne, individuell für den Kunden zugeschnittene Stellenangebote zu finden, die einer Absage bedürfen.

Die Formulierungen der Absagen ähneln dem oftmals zynischen formal-höflichen Stil der Briefe, die man von den Bewerbungsabsagen gewohnt ist: „Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß die o.g. Ausschreibung nicht meinen Ansprüchen gerecht wird. Daher muß ich bedauerlicherweise eine Absage schicken." „Ich hoffe, daß Sie bei anderen Arbeitsuchenden auf mehr Interesse gestoßen sind."

Thomas Klauck, einer der Initiatoren, begann das Projekt natürlich gleich mit einer eigenen Absage, die er an einen Pharmakonzern schickte, der auch prompt antwortete: Es täte ihnen leid, daß er die Stelle nicht antreten könne. Es hätte aber auch gar kein Angebot vorgelegen, und zu einem Gespräch wäre es auch nicht gekommen. Deshalb würden sie das Schreiben als gegenstandslos bewerten. Es läge offenbar ein Irrtum vor. Obwohl sich Klauck gegen diese Einschätzung noch einmal schriftlich verwahrt hatte, brach damit die Kommunikation mit dem ungewollten Arbeitgeber leider ab.

Die Dienstleistungen der Absageagentur lassen sich auch in ihrem Büro in Anspruch nehmen. Ab dem 1. April residiert die Agentur sechs Wochen lang im Superhorst in der Falckensteinstraße, einem Nachbarschaftsprojekt, das in seinem Ladenlokal unter anderem Konzerte, Film- und Hörspielabende und Workshops veranstaltet und seine Räume außerdem anderen Initiativen und Künstlern zur Verfügung stellt und sich auch ­ wie im Fall der Absageagentur ­ an deren Projekten beteiligt.

Im Superhorst werden die Stellenangebote und Absagen ­ sofern der Auftraggeber damit einverstanden ist ­ und eventuelle Reaktionen der abgelehnten Firmen ausgehängt. Inwiefern sich das Projekt am Ende auswerten läßt, bleibt abzuwarten. Vielleicht wird allein schon durch den Aushang der Stellenangebote deutlich, wie sehr die Firmen derzeit tatsächlich hinter den Anforderungen Arbeitssuchender zurückbleiben. Ein erster Kunde der Absageagentur lehnte zum Beispiel ein Praktikum bei der Zeit ab, weil das Angebot nicht seinen Gehaltsvorstellungen entsprach ­ schließlich war gar keine Entlohnung vorgesehen.

Flankiert wird die Bürotätigkeit der Agentur ­ außer durch das ohnehin stattfindende Programm des Superhorst ­ von einem wöchentlichen Filmabend zum Thema Arbeit und anschließender Diskussion. Angedacht sind Harun Farockis Die Bewerbung, über Bewerbungstrainings insbesondere mit angehenden Managern, eine zeitgenössische Adaption von Melvilles Bartleby, dem Prototyp des nachhaltigen Arbeitsverweigerers, und ein Film der Künstlergruppe Bankleer und des Projektes Workstation mit Interviews, die sie mit Berlinern über ihr Leben mit und ohne Arbeit geführt haben.

Katrin Scharnweber

Die Absageagentur eröffnet ihr Büro am 1. April um 20 Uhr im Superhorst, Falckensteinstraße 31, Kreuzberg.
Öffnungszeiten Di, Mi und Do von 16 bis 20 Uhr und Fr von 10 bis 14 Uhr sowie nach Vereinbarung. Der Filmabend findet immer mittwochs um 20 Uhr statt. www.absageagentur.de

Das Programm des Superhorst findet sich unter www.instantrooms.net

 
 
 
Ausgabe 3 - 2005 © scheinschlag 2005