Ausgabe 3 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Auf den Spuren eines Schießwütigen

Werner Gladow alias „Doktorchen" und seine Raubgesellen trieben in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ihr erschröckliches Unwesen in Berlin. Der erst 17jährige, penetrant schießwütige Bandenchef, der sich selbst zum Al Capone von Berlin hochirisierte, beging gar zwei Morde – in einem Fall wegen einer jämmerlichen Beute von ein paar wertlosen Uhren. Gladow endete schließlich 1949 auf dem Schafott. In Friedrichshain, dem Bezirk, in dem er und mehrere seiner Mitstreiter wohnten, erinnert sich noch manch älterer Bewohner an Leben und Untaten der jugendlichen Verbrecherschar, so etwa an die filmreife mehrstündige Schießerei anläßlich Gladows Verhaftung.

Nun hat sich ein Kunstprojekt der Geschichte der Bande angenommen. Die Friedrichshainer Performance-Gruppe K-I-E-Z to go (Kulturelle-Initiative-Engagierter-Zugezogener) will die Historie, die Mythen des Kiezes aus künstlerischer Perspektive heraus „neu und anders erlebbar machen", um „auf diese Weise verschiedene Generationen in einen Austausch miteinander treten zu lassen" (man mag ja keinen Gladow-Kult aufleben lassen). So möchten die K-I-E-Zler denn auch die Geschichte der Gladow-Bande erzählen ­ nicht als klassisches Theaterstück, sondern als inszenierte Kiezführung zu verschiedenen Tatorten in Friedrichshain und Lichtenberg, zu Kneipen, Läden, auf der Straße, wo den Zuschauern das wüste Treiben der Bande via Video- und Diaprojektionen, Lesungen und dramatischen Szenen vorgeführt wird. Mal auf den Spuren der Übeltäter, mal auf denen ihrer Häscher. Und der Austausch zwischen den Generationen ergibt sich dann wohl, wenn die Führungsteilnehmer über Pistolentypen fachsimpeln.

Gertrude Schildbach

„Die Gladow-Bande. Führung auf Abwegen" von K-I-E-Z to go ist vom 1. bis zum 3. April auf den Straßen rund um die Samariterkirche und der Frankfurter Allee zu sehen. Treffpunkt: 18 Uhr vor der Samariterkirche, Dauer: ca. 3 Stunden

 
 
 
Ausgabe 3 - 2005 © scheinschlag 2005