Ausgabe 2 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Go West

Das Ende des Quartiersmanagements
in der östlichen Innenstadt

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zieht sich aus den drei Quartiersmanagements (QMs) in der östlichen Innenstadt zurück und will sich stattdessen verstärkt im Westteil der Stadt engagieren. Betroffen sind die Gebiete Falkplatz und Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg sowie der Boxhagener Platz in Friedrichshain. Gestartet wurden die QMs 1999 im Rahmen des bundesweiten Programms „Soziale Stadt" in insgesamt 17 Stadtvierteln in Berlin mit sogenanntem „besonderem Entwicklungsbedarf". In den drei Ostkiezen war die Überraschung recht groß, als klar wurde, daß auch hier QMs aufgebaut werden sollten. Denn in diesen zentral gelegenen Kiezen war nicht nur eine noch recht gemischte, gewachsene Struktur von Initiativen und Vereinen anzutreffen. Hier hatten sich auch viele Studenten und (Lebens-)Künstler niedergelassen. So waren die Quartiersmanager auch lange Zeit für viele eher Fremdkörper in den betroffenen Gebieten. Immerhin hatten sie aber etwas Geld aus dem „Quartiersfonds" zu verteilen, der 2001 vom damaligen Senator für Stadtentwicklung, Peter Strieder, sogar einmalig auf eine Million DM aufgebläht wurde.

Schon lange sind die drei Ostkieze nicht nur richtig trendy, auch der Zuzug mittlerer Einkommensschichten hat sich in letzter Zeit noch einmal deutlich verstärkt. Die eigentlichen Probleme sind deshalb hier auch eher die steigenden Mieten und die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung. So kann man nur staunen, daß die Senatsverwaltung von einem „beachtlichen Erfolg" auch für diese drei Ost-QMs spricht ­ wenn denn die Verhinderung eines Austausches der Kiezbevölkerung wirklich ein Ziel gewesen sein sollte.

So sind auch nicht alle über den Rückzug der QMs wirklich traurig. „Die alten, vorhandenen Strukturen in den Kiezen wurden geschwächt", meint etwa Michail Nelken, PDS-Abgeordneter für Prenzlauer Berg, resümierend. Für ihn hinterlassen die QMs einen bitteren Nachgeschmack: Viele Anwohner orientierten sich zuletzt fast nur noch auf das QM hin, ältere Kiez-Initiativen spielten nur noch eine untergeordnete Rolle.

Am Ende der QM-Ära in den betroffenen Vierteln taucht noch ein weiteres Problem auf: Inwieweit werden die bestehenden Projekte und Initiativen nach dem geplanten stufenweisen Rückzug der QMs bis 2006 finanziell weiter gefördert? Viele Projekte wurden durch die Mittel der QMs überhaupt erst ins Leben gerufen. Und ob die zumeist sozialen und kulturellen Projekte ohne eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand überhaupt überlebensfähig sind, ist mehr als fraglich. So sieht zum Beispiel Günther Schanzmann vom „Tivoli", einem sozial-kulturellen Nachbarschaftszentrum am Falkplatz, ohne fortgesetzte finanzielle Unterstützung kaum Überlebenschancen für das Projekt. Die Grenzen der Selbstfinanzierung, etwa durch Mieteinnahmen und Eintrittsgelder, sind nach Schanzmann schon jetzt erreicht. Sollte der Rückzug der QMs mit weiteren Kürzungen für Projekte verbunden sein, werden viele wohl kaum überleben. Die gerade erst geschaffenen Strukturen in den Kiezen wären so gleich schon wieder zur Disposition gestellt.

Im Gegensatz zu den drei angesagten Ostkiezen sieht die Lage in vielen anderen Gebieten der Stadt wesentlich schlechter aus. So ist die geplante Verschiebung der QMs vom Osten in die westlichen Innenstadtgebiete wie Kreuzberg, nördliches Neukölln und Moabit ­ laut Statistik die Gebiete mit den höchsten Arbeitslosen- und Sozialhilferaten ­ eigentlich auch keine so große Überraschung mehr. Die Offenheit der Stadtentwicklungs-Senatorin Ingeborg Junge-Reyer verlangt Respekt: Noch einmal rund 15 Gebiete, fast alle im Westen, werden als sozial und strukturell so kritisch bewertet, daß man Handlungsbedarf sieht.

Hier soll es nun das sogenannte „Stadtteilmanagement" richten: Ähnlich wie das QM angelegt, aber mit deutlich geringerem staatlichen Anteil, dafür in verstärkter Kooperation mit vorhandenen „Partnern" wie zum Beispiel Wohnungsbaugesellschaften, Kirchen oder Schulen. Nun sind es nicht mehr nur Altbaugebiete der Innenstadt oder Großwohnsiedlungen am Rande, sondern auch eher langweilig bis muffig wirkende Wohngebiete der Nachkriegszeit in Spandau oder im Wedding, die sich schon seit einigen Jahren auf einer Talfahrt befinden. In diesen Wohnvierteln sind nur recht wenige Kiezaktive anzutreffen und Studenten eine fast unbekannte Spezies. Auch lädt die baulich eintönig bis trostlos wirkende Struktur dieser Gebiete nicht gerade zu einem lebendigen Kiezleben ein. Aktive Leute vor Ort mit den vorhandenen Einrichtungen zusammenzubringen und ihnen auch zusätzliche Unterstützung zukommen zu lassen, erscheint da durchaus sinnvoll.

Letztendlich bringt der Rückzug der QMs aus den drei trendigen Innenstadtgebieten einen Vorteil: Die Fokussierung vieler auf diese Kieze nimmt ab, und andere nicht sehr medientaugliche Gebiete könnten mehr in den Vordergrund der Berichterstattung rücken. Eines sollte aber klar sein: Die sozialen und ökonomischen Probleme, verursacht durch Arbeitslosigkeit und geringe Einkommen, wird keines der Managements beseitigen können. Aber vielleicht kommt jetzt zumindest eine öffentliche Diskussion in Gang, wie und mit welchem finanziellen Aufwand man den Problemen dieser Menschen wirksam begegnen kann.

Dirk Hagen

 
 
 
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