Ausgabe 1 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Vom Schreiben und Saufen

Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag hat mal wieder seine Freunde zusammengetrommelt, diesmal zu Schreibübungen zum Thema Trinken. Während Doris Akrap über die Plastikwasserflaschen sinniert, die heutzutage jeder Mensch, der etwas auf sich hält, glaubt rumschleppen zu müssen, beschäftigen sich alle anderen mit dem Saufen – als würde man nur in gesundheitlichen Notsituationen Nichtalkoholisches zu sich nehmen. Es gibt Berichte über eigene Sauferlebnisse, wie man sie sich auf Parties mit alten Schulfreunden erzählt, Anekdoten über berühmte Vorbilder, die am Alkoholismus zugrunde gingen, aber auch ein paar Skizzen des traurigen Trinkerlebens.

Zwar überbieten die einzelnen Beiträge nur selten das Niveau von Lesebühnentexten ­ dazu müßte man sie in einer rauschgeschwängerten Kneipe mit einem Bier goutieren ­, trotzdem gelingt es dem Büchlein, ein Gesamtbild entstehen zu lassen, ohne daß explizit über die kulturhistorische Bedeutung des Alkohols oder über dessen zweischneidige Wirkung geschwafelt werden müßte.

Besonders lehrreich ist die Abhandlung Dietmar Daths über die unzweifelhafte Überlegenheit der schottischen Aufklärung gegenüber der völlig überschätzten Philosophie der französischen Konkurrenten, die erst mit dem systematischen Genuß des schottischen Nationalgetränks zur Geltung kommt und – wie der Autor überzeugend darlegt – mit jedem Schluck evidenter wird. Eine „alkoholarchäologische" Studie, in der endlich die direkte Wirkung des Alkohols auf Argumentation, Wortwahl und Stil im Selbstversuch aufgezeigt wird.

ks

Jörg Sundermeier (Hg.): Das Buch vom Trinken. Verbrecher Verlag, Berlin 2004. 12 Euro. Lesung am 22. Februar um 20.30 Uhr im Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130, Eintritt 4 Euro

 
 
 
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