Ausgabe 1 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kluge Imame braucht das Land

Die Ausbildung von Imamen muß staatlich geregelt werden

70 Moscheen hat Berlin, die meisten gehören der Islamischen Föderation in der Boppstraße an. Jede dieser Moscheen hat einen oder mehrere Imame, die das aufgabenreiche Amt ausüben. Die Auseinandersetzungen um Yakup Tasci, den Imam der Mevlana-Moschee in Kreuzberg, zeigen deutlich, daß eine funktionierende gesellschaftliche Kontrolle und eine Regelung der Imamausbildung der beste Garant dafür wären, den Einfluß gemäßigter islamischer Richtungen zu stärken.

Tasci hatte sich im letzten Jahr wiederholt mit Äußerungen hervorgetan, die nach Ansicht von Innensenator Ehrhart Körting den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Im November 2004 war von ihm beispielsweise in einer Predigt zu vernehmen: „Diese Deutschen, diese Atheisten, diese Europäer rasieren sich nicht unter den Armen, ihr Schweiß sammelt sich unter ihren Haaren zu einem üblen Geruch, und sie stinken." Nun soll er schnellstmöglich abgeschoben werden. Tasci hat den Verwaltungsweg eingeschlagen und kann per Eilverfahren eine Abschiebung verhindern. Da er im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit der Imame ein Daueraufenthaltsrecht genießt, ist mit einer längeren juristischen Auseinandersetzung zu rechnen. Der Trägerverein der Moschee, die Islamische Föderation, hat ihr Gründungsmitglied suspendiert, eine Untersuchung eingeleitet und Konsequenzen angekündigt.

Mit Vertretern wie Tasci gerät der Imamberuf zunehmend unter Pauschalverdacht. Im Gegensatz zum gesellschaftlichen Ansehen in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften unterliegt ein Imam hierzulande mehr denn je einem Rechtfertigungszwang. Imame in Deutschland üben ein weitaus öffentlicheres Amt aus, als sie es selbst wahrhaben wollen. Bei muslimischen Institutionen besteht deshalb Handlungsbedarf. Es ist höchste Zeit, daß Muslime demonstrativ und unter Anwendung rechtsstaatlicher Mittel radikalen Strömungen in den „eigenen Reihen" Einhalt gebieten. Die Freitagspredigten der vielen Moscheen in Berlin zu überwachen, widerspricht dem Recht auf freie Religionsausübung. Es zeugt außerdem von fehlendem Vertrauen und ist viel zu teuer.

Etwa 90 Prozent der in Deutschland predigenden Imame werden nach Schät-zungen des Zentralrates der Muslime „eingeflogen". Kritisiert wird von deutschen Medien häufig, daß diese Imame zu wenig Deutsch sprächen. Imame, die sich beim türkischen Außenministerium für den Auslandsdienst bewerben, müssen ein abgeschlossenes fünfjähriges Theologiestudium vorweisen. Dieses beinhaltet neben den religiösen auch pädagogische Studienfächer, Arabischunterricht und eine weitere Fremdsprache. Viele Studenten wählten Englisch oder Französisch, einige auch Deutsch, berichtet Hüseyin Midik von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB): „Wir hatten hier auch Imame, die sehr gut Deutsch sprachen, weil sie schon auf dem Gymnasium Unterricht hatten." Zumeist kämen die Imame aber mit relativ geringen Deutschkenntnissen. Sie sind ja auch beauftragt, türkische Auslandsgemeinden zu betreuen: „Unsere Gemeinden sind nun einmal türkischsprachig. Das ist die Realität. Wir haben bisher keine Rückmeldung von den Gläubigen, daß sie die Predigt nicht mehr verstehen. Wenn es einmal dahinkommen sollte, daß alle nur noch Deutsch verstehen, dann wechseln wir die Predigtsprache."

Im Hinblick auf die Kontrolle der Moscheen und als Integrationsinstrument wird die deutschsprachige Predigt immer wieder diskutiert. Allerdings wird sich ein Imam in seiner Muttersprache stets differenzierter ausdrücken können als in jeder Fremdsprache. Im schlimmsten Fall verstehen die Gläubigen ihren Imam nicht richtig und werden unzureichend belehrt. Mangelnde Bildung in religiösen Fragen öffnet aber vereinfachenden theologischen Positionen Tür und Tor und ist ein in allen islamischen Ländern grassierendes Übel. Es sollte daher der Gemeinde überlassen bleiben, in welcher Sprache sie die Predigt zu hören wünscht.

Durch die Konzentration auf die Predigtsprache wird die Diskussion an der falschen Stelle geführt. Stattdessen wäre zu fordern, daß Imame in Zukunft ihr Amt für die Öffentlichkeit wahrnehmbarer ausüben. Beim DITIB hat man das erkannt: „Bei der Sprachausbildung kann sicherlich noch etwas getan werden, vor allem, weil dann der Imam der ganzen Gesellschaft zur Verfügung steht," sagt Midik. Bester Garant jedoch, der Kleingeisterei und Unbildung à la Tasci Einhalt zu gebieten, ist eine gute Ausbildung. Dies lehrt das Beispiel Österreich, wo Imame seit vielen Jahren in Kooperation mit der ägyptischen al-Azhar-Universität ausgebildet werden. Die Schweiz will nun mit den Österreichern kooperieren.

Umso überraschender ist es, daß in Deutschland bisher keinerlei grundsätzliche Regelung erfolgt ist. Im November 2004 hat die Integrationsbeauftrage der Bundesregierung Marieluise Beck vorgeschlagen, die Imamausbildung an deutschen Universitäten „mittelfristig auf- und auszubauen". Aufgrund der österreichischen Vorarbeiten erscheint es unverständlich, warum erst mittelfristig daran gedacht wird, den (im Aufbau befindlichen) einzigen Lehrstuhl für islamische Theologie in Münster um eine Imam-Ausbildung zu ergänzen. Zumal man in Hamburg eine praktikable Lösung gefunden hat. Dort bildet das Islamische Zentrum der iranischen Schiiten eigene Kandidaten aus und fliegt die Professoren zur Abschlußprüfung ein. Die Predigten der Imame dieser Moschee sind inzwischen im Internet auf Deutsch nachlesbar. Entsprechend könnte kurzfristig durch eine Kooperation mit gemäßigten Institutionen im Nahen Osten und der Türkei auch eine Lösung für andere islamische Richtungen gefunden werden.

Jeglicher „kleinen Lösung", wie sie derzeit zum Beispiel vom Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) durchgeführt wird, sollte aber Einhalt geboten werden. Die Ausbildung des Verbandes dauert drei Jahre und bildet auf einem dem christlichen Katecheten vergleichbaren Niveau aus. Daß Imame einen Hochschulabschluß haben sollten, hat dieser Verband in Interviews entsprechend abgelehnt. Es ist somit an der Politik, ihre Richtlinienkompetenz auszuschöpfen und klare Regelungen herbeizuführen: Das Bildungsniveau von Imamen sollte nachprüfbar und durch einen staatlichen Abschluß sanktioniert sein, ob er nun einer des türkischen, syrischen oder deutschen Staates ist. In diesem Punkt unterscheidet sich der Imam nicht vom Pastor. Muslimische Gemeinden in Deutschland hätten dann die Wahl, ihre Imamstellen mit Bewerbern aus der Türkei, Ägypten oder eben Deutschland zu besetzen. Die theologische Kompetenz und menschliche Reife eines Imams sind das Aushängeschild einer Moschee, überall.

Katja Brinkmann

Foto: Steffen Schuhmann

 
 
 
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