Ausgabe 1 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Hausbesitzer mauert

Es war eine böse Vorweihnachtsüberraschung für die Bewohner der Kreuzberger Yorckstraße 59. Am 23. Dezember drangen morgens um 4 Uhr mehrere Männer in die zweite und dritte Etage des Wohnprojekts ein, beschädigten Computer und mauerten Wohnungstüren zu. Als die aus dem Schlaf geschreckten Bewohner bei der Polizei Anzeige erstatten wollten, wurde ihnen das verweigert. Denn die Einbrecher kamen im Auftrag des Hausbesitzers Marc Walter und seinem Verwalter Boris Marweld. Dieser erschien am 28. Dezember abermals in der Yorckstraße 59 und hatte gleich Polizeischutz und einen Schlosser mitgebracht, um die Schlösser von mehreren Wohnungstüren auszuwechseln. Die Schlüssel bleiben zunächst in Polizeigewahrsam. Damit ist der Streit zwischen dem Hausbesitzer und den über 50 Bewohnern der Yorckstraße 59 endgültig eskaliert (s. scheinschlag 10/04).

Juristisch ist die Angelegenheit verzwickt. Die Bewohner hatten mit dem Hausverein Gewerbemietverträge abgeschlossen, wobei allen Beteiligten klar war, daß das Haus zum überwiegenden Teil als Wohnraum genutzt wird. Das ist bei großen Hausprojekten eine durchaus übliche Praxis. Doch die Bewohner wollten sich nicht auf einen Richterspruch verlassen. In den letzten Monaten verliehen sie in Berlin, Hamburg und Wien mit Protestaktionen ihren Forderungen Nachdruck. Auch vor weiteren von Walter gekauften Häusern in Berlin gab es Kundgebungen. Gleichzeitig haben die Mieter stets deutlich gemacht, daß sie an einer konstruktiven Lösung interessiert sind. Sie wollen das Haus selbst kaufen und in eine Genossenschaft überführen. Immer wieder drängten sie die Politiker, einen Runden Tisch einzuberufen, wo die Konfliktparteien die Auseinandersetzungen klären sollen. Die Bezirksversammlung Kreuzberg-Friedrichshain hat im Sommer 2004 eine Resolution verfaßt, in dem sie das Hausprojekt unterstützt. Vom Berliner Senat gab es eine solche Zusicherung bisher allerdings nicht. Als die Bewohner Anfang Januar im Roten Rathaus zum Gespräch auftauchten, sicherte ein Senatsmitarbeiter lediglich zu, daß man der Yorckstraße die Daumen drücke.

Der Hausbesitzer geht derweil weiter auf Konfrontation. In Interviews macht er deutlich, daß auch politische Gründe hinter seiner harten Haltung stehen. Er lasse sich nicht von Chaoten erpressen, erklärte er. Mittlerweile steht er unter Polizeischutz. Als die Bewohner Anfang Januar die Steine der in Walters Auftrag errichteten und von den Mietern wieder abgebauten Mauer zurückbringen wollten, wartete die Polizei schon vor Walters Büro in der Kantstraße. Für die nächsten Wochen hat die Yorckstraße gemeinsam mit anderen von Vertreibung bedrohten Projekten in Berlin weitere Proteste angekündigt.

Peter Nowak

 
 
 
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