Ausgabe 10 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Gemischtwarenplanung für das Babylon?

Filmkunsthaus unter Kommerzialisierungsdruck

Foto: Knut Hildebrandt

Als Anfang November die Senatsverwaltung für Kultur und Wissenschaft in einer Presserklärung mitteilte, daß ein neuer Betreiber für das Babylon amRosa-Luxemburg-Platz per sogenanntem Interessensbekundungsverfahren gesucht werden soll, ging ein Aufschrei durch die Menge der Cineasten und aller anderen Kulturinteressierten. Denn das Babylon ist das einzige noch existierende kommunale Kino der Stadt, das sich der Filmkunst verschrieben hat und mehrfach dafür ausgezeichnet wurde.

Als Grund für das Verfahren wird der Umstand genannt, daß der Babylon e.V. sich nicht mit den pro Jahr vom Senat zur Verfügung gestellten Fördermitteln bescheiden würde. „Dem Verein ist es trotz engagierter und verdienstvoller Programmarbeit nicht gelungen, den Betrieb des Babylon auf die vom Parlament bewilligte Zuschußhöhe von 320000 Euro auszurichten", so der genaue Wortlaut der Presseerkärung. Dabei schlagen 80 Prozent der Summe allein für die Miete zu Buche, und daß es „strukturelle Defizite" ­ so die Umschreibung für die chronische Unterfinanzierung des Hauses ­ gibt, liegt unter anderem an der 2001 abgeschlossenen Rekonstruktion des denkmalgeschützten Baus von Hans Poelzig.

Mit der genannten Summe kann man aber ein so anspruchsvolles Programm wie das des Babylon nicht gestalten. Eine Kommerzialisierung des Programms zu ungunsten der Filmkunst wäre unumgänglich. Der Senat schlägt deshalb eine Mischung aus Cineastenkost und publikumswirksamerer Massenware vor und ist sich sicher, daß sich schon ein williger neuer Betreiber finden wird. Diese Gemischtwarenplanung funktioniert ja auch woanders, z.B. in den Hakkeschen Höfen. Der Unterschied ist nur, daß das Babylon als kommunales Kino eigentlich den Auftrag hat, Filme zu zeigen, die in kommerziell orientierten Häusern keine Chance hätten. Zudem darf es anderen Lichtspieltheatern keine Konkurrenz machen.

Noch im letzten Jahr fand der Senat im übrigen Wege, die Defizite auszugleichen, was als Bekenntnis zum Kino und seinem Programm gewertet werden konnte. Daß nun ein neuer Betreiber gesucht wird, legt den Verdacht nahe, man habe schon einen anderen im Auge, der genau den Wünschen des Senators entspricht. Aber das muß nicht so sein. Natürlich steht es auch dem Babylon e.V. frei, sich ins Rennen um sein angestammtes Haus zu begeben, nur müssen sie in ihrem Konzept genau mit der angegebenen Summe auskommen. Das klingt schon etwas zynisch, zumal man aus Erfahrung weiß, daß das aktuelle Profil des Kinos mit diesem Geld höchstens noch ein halbes Jahr zu finanzieren ist.

Vor einiger Zeit passierte dem Kino Arsenal ähnliches. Es sollte auch weggespart werden. Hier sprang glücklicherweise der Bund ein. Das wäre auch für das Babylon zu hoffen, denn hier gilt es zusätzlich, den schönsten Kinobau der Stadt als Spielort für die Filmkunst zu erhalten.

Fast sieht es so aus, als ob hier mal wieder am falschen Ende gespart werden soll, um Anderes, Prestigeträchtigeres mit Mitteln auszustatten. Noch besteht Hoffnung, daß sich beide Parteien einigen. Wenn nicht, werden sich die Türen des Babylon schon zum 1. Dezember bis auf weiteres schließen.

Ingrid Beerbaum

 
 
 
Ausgabe 10 - 2004 © scheinschlag 2004/2005