Ausgabe 10 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Undurchsichtige Mogelpackung

Das Quartiersmanagement feiert sich selbst

Den Besuch der Ausstellung zu den Berliner Quartiersmanagement-Gebieten „Neue Chance für 17 Kieze" kann man sich getrost sparen. Wenn die QM-Gebiete sich selbst feiern dürfen, was soll dabei schon anderes herauskommen als jene von Beginn an verordnete positive Stimmungsmache für die „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf"? Wie sagte schließlich jene Quartiersmanagerin nach ihren ersten drei Jahren QM-Erfahrung in einem schwachen Moment so treffend und resigniert: „Wir sind doch zum Erfolg verdammt." Das heißt, vorzeigbare Ergebnisse mußten zügig produziert werden, um zum einen den Senat zufriedenzustellen, denn der wollte schließlich sein neues Wunderheilmittel „Quartiersmanagement" vorführen, und zum anderen den QMs den weiteren Auftrag zu sichern. Kritik wurde deshalb von jeher als störend empfunden und ist nach wie vor äußerst unerwünscht. Transparenz in den Entscheidungsprozessen – ebenso Fehlanzeige.

Die Ausstellung, die nach fünf Jahren QM so etwas wie eine erste Bilanz ziehen will, wirft wegen ihrer ungebrochenen Selbstbespiegelung deshalb die Frage auf, ob überhaupt noch jemand das Agieren der QMs unabhängig und kritisch unter die Lupe nimmt. Scheinen doch mittlerweile die „Verantwortlichen" die üblichen Schlagworte als Dauermantra etablieren zu können: neue Chancen, Empowerment der Bewohner, Partizipation, Kooperation, Vernetzen der Akteure, Projekte initiieren ... Und die, die vielleicht am besten ein Urteil fällen könnten, die Bewohner vor Ort, sind per Definition der QMs eingebunden in einen reibungslosen QM-Betrieb: Als „Akteure" seien sie schließlich verantwortlich für das Geschehen in „ihrem" Kiez. Wer also was zu meckern und verbessern hat, solle sich lieber „einbringen in den Prozeß". Und wer das Angebot verschmäht, ist demnach desinteressiert und verspielt seine Chance ­ oder aber ein Miesmacher, der das Image des Gebiets in unverantwortlicher Weise runterzieht. Ihre eigene Öffentlichkeit stellen die QMs mit ihren Kiezzeitungen sowieso gleich selbst her.

Doch so beteiligungsfreundlich, wie die QMs es gerne darstellen, läuft es zum Teil in den Kiezen keineswegs ab. Wer in seinem Viertel über einen längeren Zeitraum das Agieren des QMs beobachtet, kriegt so seine Zweifel, nach welchen Kriterien eigentlich vorgegangen wird. Zunächst, als die Quartiere 1999 von oben ihre Managements verordnet bekamen, waren diese händeringend auf der Suche nach der Kiezbevölkerung, die sich doch bitteschön managen lassen sollte. Also wurde jedem QM-Gebiet obendrein eine Million Mark zur freien Verfügung mitgegeben, um die Sache in Schwung zu bringen. Während überall in den Bezirken der Rotstift regierte, durften hier über die Verwendung des warmen Geldregens neu gebildete lokale Bürgerjurys entscheiden, die nach dem Zufallsprinzip (demokratisches Element!) ausgewählt worden waren. Sie stimmten über die Finanzierung von Kiezprojekten ab, die wiederum andere aus dem jeweiligen Quartier zuvor vorgeschlagen hatten.

Verkauft wurde das alles unter dem Motto: Bürger nehmen die Geschicke ihres Kiezes selbst in die Hand. Aber im Grunde hatte man die Bewohner eher angefüttert ­ wer läßt schon die Chance auf öffentliche Gelder sausen ­, um hinterher erfolgreich dokumentieren zu können, daß die QMs vor Ort Fuß gefaßt haben. Denn eine öffentliche Auseinandersetzung im Stadtviertel über die getroffenen Juryentscheidungen scheute beispielsweise das Quartiersmanagement am Boxhagener Platz in Friedrichshain. Bekanntgegeben werden durfte nur, welche Projekte gefördert wurden. Gründe, die zur Ablehnung von Projekten geführt hatten, sollten dagegen nicht veröffentlicht werden. Überhaupt schien man im QM Boxhagener Platz mit den hier schon seit langem im Kiez aktiven Bewohnern eher seine Probleme zu haben. Das mitunter feldwebelmäßige Auftreten der Quartiersmanagerin, durch das kontroverse Diskussionen schon mal arg verkürzt abliefen, rief drastische Gegenwehr im Viertel hervor: So wurde eine Ladung Müll demonstrativ im QM-Büro abgeladen. Zwar nicht die feine Art, aber die Aktion blieb haften.

Doch man konnte je nach Sachlage auch anders. Eine Gruppe von Anwohnern war wegen des eskalierenden Kneipenkonflikts rund um die Simon-Dach-Straße beim QM Boxhagener Platz gelandet und erhoffte sich Hilfe im Bestreben, die Gastwirte zu einer verträglichen Schankgärtenregelung zu bewegen. Eine Anwohnerin berichtete später, daß auf dem folgenden Treffen aber keineswegs das Kneipenlärmproblem konkret erörtert wurde, sondern die Anwesenden verschiedene bunte Symbole verteilen sollten nach dem Prinzip: Was finde ich ganz toll in meinem Kiez, was könnte noch besser werden, was ist noch nicht so gut? Die Anwohnerin wähnte sich alsbald im Kindergarten, wo handfeste Interessenkonflikte durch pädagogische Gruppenspielchen ausgehandelt werden sollten. Das QM gibt sich zwar im Zweifelsfall gerne als neutraler Moderator aus, doch man sollte schon genauer hinsehen: Auch der Gewerbeförderung sind die QMs verpflichtet und verfolgen deshalb ihre eigenen bzw. die Interessen des Senats. Die schlaglichtartigen, willkürlich ausgewählten Einblicke rund um den Boxhagener Platz zeigen, daß die Anwohner sich sehr wohl in ihrem Viertel engagieren wollen, aber das Beteiligungsverfahren über das QM eher als undurchsichtige Mogelpackung erleben.

Verena Lehmann

Die Ausstellung „Neue Chance für 17 Kieze" ist noch bis Mitte Januar in der Behrenstraße 42 in Mitte zu sehen

 
 
 
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