Ausgabe 09 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Es müssen nicht immer 90 Minuten sein

Ein neues DVD-Label für das Stiefkind Kurzfilm

Es ist verwunderlich, daß nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen ist, ein DVD-Label nur für Kurzfilme zu gründen. Und wie kommt man auf solche Ideen? Beim Bier im Freundeskreis natürlich. Und wenn man sowieso mit Film zu tun hat. Im Sommer letzten Jahres saßen ein paar junge Männer zusammen und stellten fest, daß Kurzspielfilme, so die korrekte Bezeichnung, in der deutschen Kinolandschaft kaum Beachtung finden. Sie werden auf Festivals gezeigt und verschwinden dann meist in Archiven. Dabei sind viele von ihnen durchaus wert, einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu werden. In Großstädten ist das nicht so schwierig. Dort gibt es Programmkinos, die auch mal eine Kurzfilmrolle zeigen. In Berlin gibt es zudem das Interfilm-Festival. Aber was macht der Filminteressierte auf dem Land? Der kann jetzt in den Laden gehen und eine DVD mit dem schönen Namen Gangster und Fußball kaufen.

Aber zurück zum Anfang. „Kurzfilme kennt nur ein kleiner Kreis von Insidern, der zu Festivals geht oder sich in Filmkreisen bewegt. Wenn man beispielsweise aus Ostfriesland kommt, weiß man überhaupt nichts darüber. Da gibt es das lokale Kino, wo Hollywood-Blockbuster laufen, in der Videothek gibt es genau dasselbe, und das war's. Das muß man ändern, haben wir uns gesagt", meint Rainer Bruns, Geschäftsführer des Labels, das er zusammen mit Justus Peter, Fabio Insalata, Patrick Jantke und Timo Quistorff gegründet hat ­ fünf Endzwanziger, die alle etwas mit Film zu tun haben oder irgendwas mit Film studieren. Gute Voraussetzungen also für so ein Vorhaben.

Ein paar Monate, nachdem die Idee geboren war, im Juli 2003, wurde die „Kurtsfilme GmbH" gegründet. Grundstock waren sieben Umzugskartons voller Kurzfilme, die beim Studentenfilmfestival „Sehsüchte" angefallen waren, das Bruns im letzten Jahr mitorganisierte. Seit der Gründung war man nicht untätig, die ersten vier Ausgaben sind vorbereitet. Nummer eins, Gangster und Fußball, ist nach einer großen Release-Party seit September im Handel.

Das Wortspiel „Kurtsfilme" als Firmenname soll den Wiedererkennungswert des neuen Labels etablieren. So gibt es auch einen Kurt als Charakter mit Eigenleben. Auf dem Cover blitzt sein Schmalzlockenlächeln im Logo. Wenn alles gut läuft, soll dieses Comicgesicht sich als ein Gütesiegel für Kurzfilme durchsetzen. Das ist natürlich alles Zukunftsmusik, und eigentlich geht es um etwas anderes: „Es ist unsere Vision, etwas zu ändern. Es sollte für jeden, der sich auch sonst DVDs kauft, ganz normal werden, sich auch mal eine Kurzfilm-DVD zuzulegen und die neben die anderen Spielfilme ins Regal zu stellen. Das heißt auch, daß für die Kunst-und Unterhaltungsform Kurzfilm eine Änderung eintritt. Bisher ist dieser ja eher ein Stiefkind der Filmwirtschaft. In anderen Ländern wie Spanien sieht das ganz anders aus, da hat er einen anderen Stellenwert. Da wollen wir auch hin. Das ist nicht ganz einfach, aber wir arbeiten daran", meint Rainer Bruns.

Der Anfang dazu ist jedenfalls gemacht. Man konnte als Vertriebspartner Eurovideo gewinnen, den ältesten deutschen Videoverleih. So ist gewährleistet, daß man die Scheiben auch in Kaufhäusern und Elektronikmärkten mit einer Startauflage von beachtlichen 5000 Stück für einen Preis von ca. zehn Euro kaufen kann. Finanziert wird das Ganze übrigens vom GmbH-Startkapital und auch aus eigener Tasche. Die Gründer selbst leben weiterhin von ihren Studentenjobs.

Natürlich soll das Label auf längere Sicht Gewinn bringen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Dazu beitragen kann man mit dem Kauf des Erstlings Gangster und Fußball. Hier bekommt man dann drei sehenswerte Filme unterschiedlicher Machart zu den genannten Themen und zusätzliches Bonusmaterial (Audiokommentare, Making Ofs), wie bei einer Spielfilm-DVD, also insgesamt 128 Minuten. Das wird bei jeder Veröffentlichung so sein. Konzept ist es, die Filme so ernst zu nehmen wie die „langen Verwandten", und das sieht man auch. Mehrmals im Jahr soll es eine neue Kompilation geben, immer mit Schlagwörtern als Titel. Lust und Liebe kommt Anfang Dezember heraus. Man kann sich darauf freuen.

Ingrid Beerbaum

Informationen unter www.kurtsfilme.de

 
 
 
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