Ausgabe 09 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Schwindlers Liste

Von den Machenschaften einiger Immobilienvermittler

„Es ist zur Zeit doch nicht so schwer, eine Wohnung in Berlin zu finden." Wie oft habe ich das von Bekannten zu hören bekommen, als ich über meine bisher vergebliche Suche berichtete. Man braucht sich nur die Samstagsanzeigen der Berliner Zeitung anzuschauen. Da werden zuhauf helle, ruhige, verkehrsgünstige und vor allem billige (zumindest nach Mietspiegel-Maßstab) VierZimmerwohnungen in Prenzlauer Berg und sonstigen „Szenenvierteln" angeboten. Fast immer steht dann dort kryptisch „Whg. gratis, Login kostenpfl., Woli GmbH" sowie eine Telefonnummer. Na probieren wir mal. Eine freundliche Stimme am anderen Ende: „Die Wohnung in der Cantianstraße? Ja, die ist noch immer zu vergeben. Am besten kommen Sie mal zu uns, wir werden das besprechen."

Das „Wohnungslisten Center Berlin" sitzt in einem Bürogebäude gegenüber vom Bahnhof Zoo. Im selben Flur befindet sich eine „Personal Service Agentur". Es fehlt nur noch ein Partnervermittler, und man könnte dort auf einen Schlag sein ganzes Leben in Ordnung bringen. Im Flur rechts steht eine Warteschlange, links sitzt der Telefonmann ­ durch die offene Tür höre ich ihn sagen: „Cantianstraße? Die Besichtigung ist am Wochenende, aber kommen Sie erstmal zu uns". Als ich endlich dran bin, empfängt mich eine lächelnde Sekretärin: „Leider ist diese Wohnung schon weg, aber ähnliches haben wir noch reichlich im Angebot. Gegen eine einmalige Gebühr von 199 Euro bekommen Sie ein Paßwort, das Ihnen neun Monate lang den Zugriff auf unsere Datenbank erlaubt. Aber bis dahin werden Sie längst die Traumwohnung gefunden haben." Als ich meine Skepsis über den Vorgang äußere, verschwindet das Lächeln der Empfangsdame. Offensichtlich ist sie an Stänkern gewöhnt. Wenn ich nicht bezahlen will, sei das meine Entscheidung. Nein, weitere Auskünfte wird sie nicht geben.

Also werde ich den Rest über den Berliner Mieterverein erfahren, wo sich mehrere beschwert haben, die sich auf die saftige Gebühr einließen. Auf der erhaltenen Liste sind keine exklusiven Schnäppchen zu finden. Kein Wunder: Es sind genau dieselben Wohnungen, die sonstwo kostenlos angeboten werden. Zum Beispiel online bei Immobilienscout. Wer dort genau hinschaut, dem fällt auf, daß dieselbe Wohnung oft zwei Mal angezeigt wird: vom privaten Vermieter und von der Woli GmbH. Nur weicht die Beschreibung der Woli-Anzeige durch ein paar Quadratmeter oder Euro ab. So werden unaufmerksame Suchende angelockt. Anscheinend ist Besitzern und Hausverwaltern die Aufnahme ihrer Immobilien in die teure Datenbank nicht einmal bewußt.

Dabei ist das Wort „Datenbank" ganz wichtig. Es soll die Woli GmbH vor dem abrupten Ende schützen, das ihren Vorgängerinnen geschah. Auch die Home Info GmbH und die Pima GmbH vermittelten monatelang unbrauchbare Wohnungsangebote gegen 185 Euro. Bis das Kammergericht entschied, daß die sogenannte Abonnementgebühr „in Wirklichkeit eine Maklerprovision ist, die nicht kassiert werden darf, bevor tatsächlich eine Wohnung vermittelt worden ist". Geschädigte durften ihr Geld zurückverlangen, was aber nicht geschehen konnte: Beide Abzockergesellschaften verschwanden prompt und spurlos. Das war im Februar 2004. Ein paar Wochen später wurde die Woli GmbH ins Handelsregister eingetragen. Die rechtliche Spitzfindigkeit ist nun, daß diese keine „Vermittlung" verkauft, sondern bloß den „Zugriff auf Daten", für deren Relevanz und Brauchbarkeit sie keine Haftung tragen will. Obwohl der Mieterverein von einer „Ordnungswidrigkeit" spricht, sei die Sache juristisch schwer anfechtbar.

Es bleibt nur noch, Wohnungssuchende aufzurufen, die Bude am Hardenbergplatz zu boykottieren. Zwar würde dadurch wieder ein Berliner Betrieb in die Insolvenz gehen. Aber um Herrn Dirk Wienecke und seine Mitarbeiterin sollte man sich keine Sorgen machen. Mit einer solchen Berufserfahrung werden sie die Dienste der Personal Service Agentur von nebenan nicht brauchen.

Guillaume Paoli

Wer von einer billigen 4-Zimmer-Wohnung in Prenzlauer Berg oder Mitte weiß, kann mich über die Redaktion erreichen. Ich bin bereit, als Gebühr ein paar Biere auszugeben.

 
 
 
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