Ausgabe 08 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Braucht Berlin die Lokale Agenda 21?

Lokale Agenda 21 (X): Vom Versuch einer alternativen Stadtpolitik

Mit diesem Artikel endet die Serie über Inhalt und Ziele der Lokalen Agenda 21 (LA 21) und ihre Projekte. Zumindest zwei Fragen stellen sich am Ende noch einmal: Machen die LA 21-Projekte in Berlin wirklich Sinn? Und: Braucht diese Stadt eigentlich eine „Berliner Agenda"?

Die LA 21, einst auf der UN-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro formuliert, war eng mit der Zielvorstellung verbunden, vorhandene Ressourcen auch für nachfolgende Generationen zu sichern. Dieser sogenannte „nachhaltige" Umgang mit Natur und Umwelt in insgesamt über 6000 LA 21-Initiativen weltweit ist dabei Grundgedanke. Die Bandbreite von Projektthemen – vom Klimaschutz über Bildung bis hin zur Geschlechtergerechtigkeit – ist äußerst bunt, mit einer deutlichen Neigung zur Unübersichtlichkeit.

Was aber haben die vielen LA 21-Projekte der über 100 Initiativen und Organisationen in Berlin – von „Eine-Welt"-Projekten über den „nachhaltigen Filmblick" bis hin zum Projekt „Lifeguide" – eigentlich gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig. Einige dieser recht kleinteiligen Projekte verbreiten auch schon mal einen Charme, der an „alternatives Leben auf dem Bauernhof" denken läßt – und sind damit einer breiteren Leserschaft nicht immer leicht vermittelbar.

Sicher ist aber, daß hinter den meisten Projekten viel Engagement steckt, Zeit und Arbeit eingesetzt wird, und das alles nahezu ohne jede finanzielle Unterstützung durch Stadt und Staat. Letztendlich ist es ein Versuch, einer rein auf kommerzielle Nutzung von Natur und Umwelt orientierten Gesellschaft etwas entgegenzusetzen ­ wenn auch manchmal mit recht beschränkten Mitteln.

Die Verabschiedung der sogenannten „Berliner Agenda", die als eine Art Rahmen für all diese Projekte fungieren soll, steht nun im September dieses Jahres an. Zuletzt prallten dann auch gerade hier die unterschiedlichen Vorstellungen der Vertreter von Verwaltung und Politik sowie der LA 21-Aktiven aufeinander. Der Senat verlangte unmißverständlich, die vorhandenen geringen finanziellen Mittel nur noch in einige wenige „Leitprojekte" zu stecken, die sich wiederum an den in Berlin so gerne und häufig formulierten „Leitbildern" zu orientieren hätten. In diesem Fall kann man aber auch gleich die Idee vergessen, neben den üblichen professionellen Projektentwicklern andere Bevölkerungsgruppen miteinzubinden. Sollte sich am Ende doch eine „Berliner Agenda" unter Berücksichtigung dieser alternativen ­ „nachhaltigen" ­ Vorstellungen durchsetzen, wäre zumindest ein wenig mehr Raum für eine vielleicht etwas andere Entwicklung in dieser Stadt gewonnen.

Wieviel die Politik in Berlin zuletzt wirklich von der LA 21 hält, wird bei der finanziellen Unterstützung der letzten Jahre noch einmal deutlich: Von den vor einigen Jahren noch zur Verfügung gestellten 500000 Euro und nach den 150000 Euro für 2003 werden für dieses Jahr noch ganze 100000 Euro übrigbleiben. Ein Grund für diese Entwicklung ist auch, daß man „aus Sicht von Politikern mit LA 21 erst einmal nichts gewinnen kann", meint Forumleiter Norbert Rheinlaender.

Was bleibt am Ende? Wenn auch nicht immer alle Projekte der LA 21 in Berlin in ihrer etwas unübersichtlichen inhaltlichen Bandbreite völlig überzeugen, bieten sie dennoch in einer stark auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichteten Stadtpolitik, Ideen und Vorstellungen für Alternativen an. Die Berliner Agenda müßte dann dafür zumindest so etwas wie ein gemeinsames Dach darstellen.

Will die Politik die LA 21 aber wirklich als einen Partner in dieser Stadt, muß die finanzielle Ausstattung der vielen Projekte über den bisherigen eher symbolischen Charakter endlich hinausgehen ­ soweit man denn überhaupt eine Partnerschaft will.

Dirk Hagen

 
 
 
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