Ausgabe 07 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Lifestyle aus eigener Schlachtung

Eine Fleischerei für die Subkultur

Symbole und Codes sind dazu da, Gefühlen, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene oder auch politischen Botschaften Ausdruck zu verleihen. Menschen nutzen verschiedene Ausdrucksweisen für die gleichen Bedürfnisse. Maler zum Beispiel verarbeiten ihr Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung und Selbstverwirklichung mittels Farbe auf der Leinwand, Sprüher nutzen S-Bahnwaggons und graue Wände. Der eminente Unterschied zwischen beiden liegt weniger am bearbeiteten Material, sondern darin, wie die Gesellschaft diese Werke rezipiert. Während für Ölgemälde viel Geld bezahlt wird, muß nicht selten der Sprüher dafür bezahlen, wenn er dabei erwischt wird, daß er die Stadt verschönert hat.

Daß es auch anders geht, zeigt seit Mai 2001 die Fleischerei in Berlin-Mitte. In der Nähe vom Rosenthaler Platz gelegen, ist die Fleischerei ein Subculture-Shop, der Kunst verkauft, die in den meisten Galerien gewöhnlich nicht zu erwerben ist.


Torstraße, August 2004. Foto: Knut Hildebrandt

Im alten Stile einer ehemaligen Fleischerei erhalten, die Fensterscheiben übersät mit Aufklebern, hat sich innen ein Raum für die lokale Urban und Street Art entwickelt. Plakate, Postkarten, Aufkleber und Bücher der unterschiedlichsten Urban Artists werden angeboten, daneben T-Shirts, sexy Unterwäsche, einige Platten sowie Tapes und Schmuck. Alle möglichen Ausgangsstoffe finden ihre Verwendung. Fast alles ist aus eigener Produktion, da setzt einzig die Technik der Kreativität Grenzen. Doch die Siebdruckwerkstatt hinter dem Verkaufsraum kann fast jede Idee umsetzen. Viele Motive, die etwa via Graffiti im Stadtbild von Berlin auftauchen, werden hier verarbeitet. In einem Buch finden sich die Künstler mit ihren Werken.

Hauptsächlich werden T-Shirts gemacht, sagt Hans, der das Projekt zusammen mit seinem Freund Beat vor drei Jahren aufgebaut hat. T-Shirts werden auch am häufigsten verkauft, in letzter Zeit auch vermehrt Plakate. Finanziell reicht das allerdings kaum. Auftragsarbeiten und die offene Werkstatt ergänzen die Einnahmen des Ladengeschäfts. An zwei Tagen in der Woche, am Dienstag und am Freitag, kann jeder, der will, selbst zur Tat schreiten und mit Unterstützung siebdrucken. Fast alles läuft dabei in Handarbeit, manuelles Siebdrucken ohne große Technik.

Die Produktionsräume sind gleichzeitig Ausstellungsräume. Überall hängen an den Kacheln Aufkleber, Plakate und andere Gegenstände aus eigener Produktion. In einer altmodisch anmutenden Nähstube liegen Stoffe in grellen Farben.

Das Angebot, selbst aktiv zu werden, nutzen regelmäßig zwölf Menschen unterschiedlichen Alters. Es geht international zu in der alten Fleischerei, von breitem Berliner Akzent, fließendem Englisch bis zu Schwyzerdütsch hört man hier einiges.

Aus dem Proberaum im Keller tauchen immer wieder bunthaarige Teens auf, die gerade fertig sind mit ihren musikalischen Kraftanstrengungen. Ein Aufnahmestudio, das auch noch Platz in den Räumlichkeiten gefunden hat, produziert regelmäßig und unabhängig von den restlichen Projekten in der Fleischerei. Ein breites und vielfältiges Netzwerk hat sich hier entwickelt, eine Art Open Space. Hans sieht die Fleischerei als Hobby. Alle Aktiven haben noch Nebenjobs oder bekommen ihr Geld vom Amt. Doch es ist ein Hobby, das viele Möglichkeiten eröffnet.

Ralf Fischer

Fleischerei, Torstr. 116-118, Mitte, fon 27572298, infos unter www.beatleprint.de

 
 
 
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