Ausgabe 07 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Palast der Hoffnungen

Der Palast der Republik steht jetzt offen. Unter dem Motto Volkspalast soll er also für das Volk noch einmal zugänglich sein, bevor er abgerissen wird – oder bevor was auch immer geschieht. Die „Zwischenpalastnutzung" wird, wenn es gut läuft, ein Zeitfenster schaffen, in der die Dinge offen und gestaltbar erscheinen. Und vielleicht werden sie es dann ja auch.

Ein obsolet gewordenes Zentrum der Staatsmacht wird zu einem Experimentierfeld. Die Veranstalter bemühen sich nach Kräften, diesem Charakter durch ein Kulturprogramm Gestalt zu geben. Improvisieren, Eingreifen, Mitgestalten sind die magischen Formeln dessen, was der alte Palast erleben soll, bis die Zwischennutzung am 9. November endet. Die „Fassadenrepublik" wird eine labyrinthische Fassadenstadt errichten, durch die die Besucher mit Schlauchbooten fahren und in einem Rollenspiel die Fassaden einer Stadt gestalten. Singing! Immateriell Arbeiten läßt Arbeitslose Freizeitchöre gründen. Sportification 04 macht den Volkspalast zu einem Abenteuerspielplatz. Den Palast als Freiraum begreifen. Für das Volk. Wir haben die Botschaft verstanden. Ob die Hoffnungen sich erfüllen?

In den Tagen vor der Eröffnung gelang das, was im entkernten Palast fühlbar werden soll, ganz beiläufig. Studenten, Bauarbeiter und anderes Volk, das im Palast noch fieberhaft arbeitete, bis die Tore geöffnet werden sollten, bewegten sich durch die entkernten Räume, saßen auf den Treppen, riefen sich kurze Botschaften zu, als sei der Palast der Republik schon immer der eigene gewesen. Hinter der Volkskammer an der Spree grillte man Würstchen. Jemand schlendert mit ein paar Bieren heran. Man blickt über die Spree, über die Stadt und denkt, daß die Welt schön ­ und mitunter doch so einiges möglich ist.

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scheinschlag wirkt an der täglichen Dokumentation der Zwischenpalastnutzung mit: www.grussmarcella.de Informationen unter: www.volkspalast.com

 
 
 
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