Ausgabe 06 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Die Resignation des Nichtschwimmers

Ein Text-Experiment, ausgehend von einem protokollierten DJ-Set mit Various-Euro. Über eine Stunde legte er für mich Platten auf, und wir reflektierten dabei vor allem über Musik. Der Text wurde danach in Dada-Tradition zerschnipselt und mit Non-/Sense-Ergänzungen wieder zusammengefügt. Die Numerierung der Samples weist auf die originäre Textfolge. Die Bilder entstanden zeitgleich zum Mix.

M[52] Ich bekomme super-seltene Plattencover aus Various-Euros [15] Archiv zu sehen. Er nennt es Leichtes Archiv. Teile stammen aus dem Laptop (From Laptop To Laptop-Archiv), Teile stammen aus dem Netz. Die Methode: Umbauen und digital auswählen, mischen. [119] Und er kann währenddessen über seine Herangehensweise sprechen, erklären und vermitteln... [51] z.B. immer mal wieder gerne die Schematic-Platte – die er leider jetzt nicht findet – auflegen. [79] Wir hören eben Terry Rileys Minimal Music aus den Siebzigern. [84] Du sagst, Sublimierung ersetze nicht das In-Ruhe-Hören. Ich stimme zu. Den [23] Lounge-Track (Herr Rossi sucht das Glück, auf Deutsch) hätte ich jetzt nicht erwartet. [114] Thinking With The Head Of A Stranger [71] mit getragenen Hintergrund-Akkorden und [92] John Watermans Psychologenkongreß-Samples – dann – He's dizzy all the time. [90] Various-Euro hört zur Entspannung nicht Neil Young, sondern Liebesschnulzen von Wire, den Dead Kennedys, Zoviet France oder Stockhausen. [128] Wie das Warten auf periodisch eintretende Versöhnung ist [120] im Leben der Grund für das Gute im Grunde der Glutpunkt, der für den gilt, daß der Mix im Halse albern (sich) streckt – weiter – und: Steckt!

Danach ist [17] der Materialfundus die Welt. Sammeln – weiter – Anhören – weiter – Auswählen und schließlich Archivieren. Auf [82] Karlheinz Stockhausens Gesang der Jünglinge folgt [41] Trip-Hop-Exotica/Manga-Erotica-Schwipsy-Score (Baby), Pebbles, Splatter aus den Sixties. [114] Weshalb gab es die Überlegung, den Fokus des Diskurses mehr auf Out/Send-Theorie, Philosophie, Lebenshaltung (etc...) zu legen – und die Musik/den Sound als eine Art Ausformung dessen zu sehen? Time based/situation based artefacts [86] wie auch bei Displaced Dilemma, mit dem Sound als Just Material Of Random Resources. Das Kultursendungs-Sample: Sagen Sie, woher nehmen Sie die Inspiration für ein ganzes Album? führt uns [12] vom magisch durchdrungenen Ur-Generieren zum situationsbasierten Auflegen/Mischen. [8] The Residents gemischt mit [48] spanischen (mexikanischen) Sprach-Samples ergeben offenbar Sukia. [111] Daß der Ausspruch Philosophie (kann) als Agent totalitärer Regime (fungieren) für [57] einen Moment Stille sorgt (...) [122] und warum das jüngste Gericht verschoben worden ist, wird dadurch erklärt, daß sich die Menschen in der Zwischenzeit ermorden. (Gedenksekunde) [43] Toll, daß man das alles neuerdings ohne Hintergedanken mixen darf. Wir suchen in Echtzeit Netz-Seiten zu den Bands, [113] hätten Goethe – der gegen die Eisenbahn/Moderne/Anti-Naturbewegung/Bildüberflutung eine mittlere Reisegeschwindigkeit der Seele festzulegen (ver)suchte – finden können.

[19] Random Resources/Zufällig Vorhandenes – also alles quasi greifbar. Weiter mit [115] letztem Samstag, als wir mal kurz darüber gesprochen hatten, wie die (zwei) Kategorien des Mixens, Verweisend und Nicht-Verweisend, auf die Sound-Generierung als Wahnsinn, als Möglichkeit den Wahnsinn zu (er-)leben, als Statement, als sogennante OUT-Praxa Einfluß nimmt. Der Sound kann (dadurch) sehr beliebig werden, d.h. die Datei/Platte/Quelle wird letztlich irrelevant. Andererseits, da bestimmte Quellen bestimmte Sounds haben, die man sich im Moment des Auflegens/Auswählens aneignet, benutzt, um eine bestimmte Atmosphäre/Raum (Gefühl) zu generieren, kann man (...) [113] lustige Anekdoten heraufbeschwören. [121] Man sucht also das Glühen, sucht die Rohnatur, erquickt sich des Tags an Sud, [11] egal welche Platte (in welchem Raum) läuft. [124] Es ist, wie wenn Zebras hinter Gittern träumen, sie seien weiße Pferde. [116] Wir können einzig bestimmte Quellen auswählen. Zwar auch gegen ihren Referenz-Sound/Klang, einfach als Bestandteil, Mosaik-Teilchen des Wahnsinns. Wir bleiben jedoch Teil-Produzent/-Erzeuger – im Gesamt-/All-/Ur-Mix. [9] Tüüt Tüüt, (und) Becken schlagen captain-beafheart-mäßig. Dazu [38] ein heterogenes Stimmengewirr, das [10] jenes schizophren-sinfonische Werk – oder was (e-mail noch mal lesen) [120] denkst du? [21] – weiter führt mit den [67] Tusken Raiders und [36] orientalischen Instrumenten. [117] Betrachten wir mehr das Ganze, den Mix, der entsteht; nicht so sehr die einzeln ausdifferenzierten Teile. Dazu die eigentümliche Abfolge, das Übereinanderlegen/Mixen/Nebeneinanderstellen von Klängen, die ein Ganzes erzeugt – und dieses Ganze kann je nach Ort/Raum/Situation des Auswählens sehr verschieden sein. [100] Er will (nun doch) eine registrierte Krankenschwester werden, verspricht die eingemischte Stimme seiner Mutter. [40] Ennio-Morricone-Gitarren und ein Vibes-Organ-Surf-Guitar-Theremin (-ovox, Ätherophon) geben Zucker in die Wunden oder irgend so ein Quatsch. [65] Die Hörer könnten nun dem DJ über die Schulter sehen. Was würden sie sehen? Gibt es Kontakt-Schwellen? [42] The Cream? Hier nicht breittreten. Velvet Illusions? [33] Wer ist gegen meinen Vergleich von Sukia mit Tipsy... [46] Hochtönende kurzangeschlagene Trommeln sprechen den Text (phonetisch lesen): [115] Ungut ist für ungut, gerade für Ungnade ist das und Glut ist Mix ist Ist-Maschine bleibt treu bis Triest. [107] Der Radiosprecher verliest unsere geschichtlichen Parts: 1962. Atom-Unterseeboot Polaris wird von Kennedy an Großbritannien verschachert, und Mona Lisa geht in die USA touren. Kultur als Waffe! Perverted humanism [61] goes in Richtung Throbbing Gristle.

[75] Weniger die Bandnamen [24] bestimmen hier (wir sitzen im Wohnraum) die Auswahl. [22] Wasser blubbert ... [108] Über was aktuelles Quatschen wie Präsidentenwahl? Richard von Weiszäcker – Bühnenkostüm an und raus! – war 1964 bis 1969 Agent-Orange-Lieferant (Der Spiegel 31/1991), danach also schwelend indirekt Massenmörder und gleichzeitig Präsident des evangelischen Kirchentags. Werther war Selbstmörder: Kein Geistlicher hat ihn begleitet. [25] Wen schocken solche Lieblingsstück(e) (die dich als DJ auch erkennbar machen). Das nächste von Sukia: [112] Irrt der Mensch solang' er strebt!? Ideal (?!): Anti-Streber-Kultur. Kultur des Nichtwollens. [110] Galimathias heißt Wille zur Nacht. Herrschaft via metaphysische Setzungen/Dogmen und [127] Trost als ein absurdes Wort. Wer nicht verzweifeln kann, der muß nicht leben. Spruchreifes [72] flutscht rasant über in's Sphärische. [103] Nicht mehr/noch nie tanzbare [97] Kettenschleppgeräusche durch lange Gänge. [39] Cut-Up-Psychedelica [58] Raten, was das jetzt ist. [35] Ich verfertige hier Stilleben. [34] Tipsy klingt spaciger... mehr Hall. [47] drbbtrrbbtrbtrbtrb. Via Lautmalerei [66] zum DJ/MC in Kontakt treten – heißt – seine Platten durchwühlen? [60] Er spielt alles ohne Kopfhörer. Daher auch keine Kopfhörer-Bilder. Du hörst [59] Jean-Michel Jarre, der zur Besinnung gekommen ist, d.h. Front 242. [98] Or Is It All Just An Illusion gesungen und [116] dann J. im Café getroffen um die [44] Kurve zu kriegen. Orientalisches von Tipsy ist jetzt bekannt. [83] Telemusik kennt auch jeder. [18] Der Archivator kennt sein Werk. [106] Ich kenne Yellow Submarine. [125] Der Schallwellenmann kennt den [102] elektronischen Western von REZ. [4] 21 Uhr. [53] So etwas hatte ich nie zuvor im Plattenladen in die Hände bekommen. [20] Mehrere Ausschnitte von Renaldo & The Loaf wechseln mit [55] Streets Of Arabian San Francisco, [29] Stimmen, [28] Moog-Sounds, [54] Contacto Espacial Con El Fercer Sexo von Nickel Bay-Records. Rar und [30] exotisch [62] dauert Front 242, die Holländer? Nein, die Belgier. [117] Lieben die Sieger neuerdings des Nachts zu Sezieren? Und daher [74] ab jetzt keine Namen mehr. [69] Automatenspiel-Kompositionselemente werden [96] alle nur angekratzt und kratzen ihrerseits an. [109] Schwere dunkle Schläge fordern mit absoluter Härte so called Romantik. Deutsche [27] Cut-Up-Musik von [104] www.various-euro.com [64] Soll ich noch fragen nach Poptronic, Höraufgüssen, Hörsauna [101] und... was man noch selten hört? [63] Die einmalige Stimmung erzeugt jetzt ein Bild vom Schornsteingeländer. [49] Die DSLR-Dream-Machine klingt dabei wie [77] Bohrer in Entfernung. [91] Bis jetzt wurden noch keine Platten/Vinyl-LPs aufgelegt. [118] Für Various-Euro bekommt der Soundtrack zur Realität, zur Situation – woraus ich hier einzelne Bestandteile des Fake-Wahnsinns herauspicke, bzw. einige interessanter finde und anders behandele, austausche gegenüber weiteren – doch noch einen Auflegecharakter, d.h. Auflegen führt zu Zuhören, führt zu interessanten Frage-Stellen. Wie die [16] Zirkuströte zur Kinder-Marsch-Musik, die [80] abbricht – [88] Your Time Is Mine (wer sagt das?), der [87] klassische Gitarren folgen. Teilweise düster, wird [123] die Resignation des Nichtschwimmers – [7] Sixties going on Seventies, going on...??? – [126] zu zur Dickleibigkeit neigenden U-Boot-Fahrern. [94] Technik, es reicht, es ist zehn (Uhr). [3] 23.05.2004. [105] Zeit für Nachträge, Samples, Ergänzungen: [85] Nurse With Wound wurden demnach länger eingeschnipselt. [37] Beschwipster, besoffener bzw. angeheiterter [78] Hubschrauber im Effektgerät. [70] Kommt alles sehr hektisch. Sehr entspannt. [68] Der Laptop zeigt jetzt noch die Venetian-Snares-Website, das Portrait eines Electronic-Hippie. [14] Various-Euro, Master Of The Ceremony, Euer Kurator [45] spielt zum Ausklang Something Tropical und [32] einige Verhaltens-/Benimm-Platten-Samples – [13] Er hat mögliche Materialien, wie [6] Renaldo & The Loaf u.a. wie [73] aristokratisch-mehrwertige Klang-Elemente innerhalb einer [0] Musik versetzt/umgesetzt. [2] Various-Euro sagte, daß [118] es ja einstmals keine Archiv-Friedhöfe mehr geben würde. [95] Er spielt als letztes eine/die einzige Vinylplatte. [119] Mein Mix endet am D-Day. [89] Nurse With Wound, Cut-Up soll ich noch erwähnen und daß Burroughs las. [50] Platte zeigen. Platte finden. Wie immer. [76] Eine neue Datei wird der alten folgen. Mit [93] Gitarrenfeedbacks, [81] Gedudel, [31] Hypnosis, [26] Bossa Nova, nochmals Gitarren. [99] Mit der Come Organisation-LP höre ich nochmal 20 Minuten [56] was anderes – [1] am Sonntag – [5] aus den Siebzigern?

Jörg Gruneberg

 
 
 
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