Ausgabe 06 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Entlaufende Krokodile, bissige Hunde und frierende Elefanten

Ein Gespräch mit Claudia Hämmerling

Claudia Hämmerling ist tierpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie engagiert sich unter anderem für die Eindämmung der Privathaltung exotischer Tiere, gegen Tierversuche, für die Durchsetzung eines neuen Hundegesetzes und die Umsetzung tier- und artenschutzrechtlicher Bestimmungen.

Sie kümmern sich zur Zeit darum, die Privathaltung gefährlicher exotischer Tierarten einzuschränken. Geht es Ihnen dabei eher um Tier- oder um Menschenschutz?

Es ist beides. Es gibt derzeit politisch keine Mehrheit dafür, die Exotenhaltung ganz abzuschaffen, weil es immer irgendwelche Leute gibt, die sich eine Königspython oder einen Waran in ein Zwei-Meter-Becken setzen müssen. Wahrscheinlich fehlt den Leuten sonst die soziale Anerkennung. Früher hat sich solche Hobbys nur der Kaiser geleistet, inzwischen haben wir Tausende von Kaisern.

Dazu kommt, daß die überforderten Tierhalter die Tiere aussetzen und nun die Allgemeinheit mit den Folgen ihrer Hobbys belasten, wir also alle dafür bezahlen müssen, daß das Krokodil aus dem Tegeler See gefischt werden muß und die Feuerwehr dort mehrere Tage mit Tauchern im Einsatz ist.

Wenn es gelingt, die Haltung der Tiere einzuschränken, die zu einer Gefährdung von Menschen führen, wäre das schon der erste Schritt. Dazu würde ich zum Beispiel auch alle Schlangen zählen. Schließlich ist es dabei wie mit den Kampfhunden. Versuchen Sie mal rauszukriegen, welche Schlange giftig ist und welche nicht. Es gibt Tausende von Schlangenarten, und wenn man deren Haltung nicht kontrollieren kann, dann soll man darauf verzichten. Ich denke, solche Tiere kann man sich im Tierpark oder im Zoo anschauen.

Und die Haltung exotischer Tiere in Zoos finden Sie in Ordnung?

Ja, natürlich. Man muß den Menschen einen Kontakt vermitteln, wenn man will, daß sie eine Beziehung zur Natur und zu Tieren entwickeln. Zumal es ja oft eine Hysterie gibt, die manche Leute befällt, wenn sie zum Beispiel eine Schlange sehen. Solche Antipathien werden dadurch gestützt, daß man nicht das Wissen und die Kenntnisse hat. Deshalb finde ich die Haltung exotischer Tiere im Zoo völlig in Ordnung, aber nicht die Haushaltung.

Und in Zirkussen?

Nein, die Zirkustierhaltung ist eine Geschichte von Vorgestern, als es diese Tiere in Afrika gab, aber noch nicht in Deutschland. Damit sich jeder mal so einen Löwen oder Elefanten ansehen kann. Heute kann jeder in den Zoo oder in den Tierpark gehen oder sich im Fernsehen Tiere anschauen.

Im Zirkus sehen wir ja immer nur das schöne Scheinbild und nicht was hinter den Kulissen passiert. Es gibt sehr, sehr wenige Zirkusse, die annähernd die artenschutzrechtlichen Bestimmungen einhalten. Die kleinen Zirkusse können das gar nicht. Das ist Tierquälerei am Rande des Existenzminimums. Die Zirkusbetreiber beuten sich selber aus, aber eben auch die Tiere.

Zoos sind aber doch auch in dieser Zeit entstanden?

Ja, die entstanden auch ungefähr vor 200 Jahren. Aber ein Zoo ist an einem Standort und ist damit kontrollierbar. Beim Zirkus kommt der Amtsveterinär, schreibt die Mängel auf, setzt eine Frist von drei Wochen, in denen der Zirkus längst weitergezogen ist zum nächsten Amtsveterinär, der dieselben Mängel aufschreibt. Und bestimmte Tiere wie Elefanten und Großkatzen kann man im Zirkus gar nicht artgerecht halten.

Was heißt artgerecht?

Ein Elefant muß zum Beispiel eine Mindesttemperatur von 16 Grad haben, sonst frieren ihm die Ohren ab. Das sieht man dann an den ausgefransten Ohren.

Aber auch im Zoo leben die Tiere ja nicht wie in freier Wildbahn.

Ja, sie werden eingesperrt. Das ist der Kompromiß, den ich eingehe, weil ich sage, es gibt Leute, die sich die Tiere ansehen wollen. Dazu müssen aber zum Beispiel nicht im Zoo und im Tierpark dieselben Tierarten zu sehen sein. Es reicht, wenn sie einmal vorhanden sind.

Ein weiteres gravierendes Problem sind für mich die Tierversuche. Wenn mehr darüber bekannt würde, was in den Laboren mit den Tieren gemacht wird, gäbe es sicherlich eine Mehrheit dafür, die Versuche abzuschaffen.

Sind die Leute heutzutage nicht eher genervt von Tierversuchsgegnern und sagen, was interessieren mich die Tiere, solange es Menschen gibt, die sich aus Geldmangel selbst zu medizinischen Versuchen anbieten?

Aber die Stufe der Zivilisation erkennt man immer daran, wie sie mit den Schwachen umgeht oder mit denen, die sich nicht selbst artikulieren können, also auch mit Tieren. Wenn man sich nicht darüber bewußt ist, daß Tiere Lebewesen sind, die Schmerzen haben und auch Ansprüche, dann ist das eine Gesellschaft, die ziemlich verwahrlost.

Ich bin keine militante Tierschützerin. Ich esse Fleisch, wenn auch nur wenig und aus artgerechter Haltung. Wenn wir Tiere nicht wie Tomaten oder Mais züchten, ist das auch gesund für uns Menschen.

Niemand setzt sich dafür ein, daß zum Beispiel die Miniermotte artgerecht leben kann.

Ich habe kein Problem mit einem Bekämpfungsprogramm gegen die Miniermotte. Man muß unterscheiden können. Der Mensch muß auch das Recht haben, sich seine Existenzgrundlage zu erhalten.

Wie sieht es mit Kampfhunden aus?

Was ist ein Kampfhund? Jede Hunderasse hat ein Aggressionspotential. Im übrigen haben wir Menschen das auch, sonst könnten wir nicht überleben, sonst wären wir längst irgendwo während der Evolution verloren gegangen.

Der Dackel kann genauso bissig sein wie die Deutsche Dogge. Da er aber keine tödlichen Verletzungen verursachen kann wie ein großer Hund, gibt es in unserem bündnisgrünen Gesetzesvorschlag die Überlegung, eine Regelung einzuführen, daß ein Hund ab 40 cm Schulterhöhe oder 17 Kilo als potentiell gefährlicher Hund gilt, vor dem Schutz geboten werden muß. Für die sollte es dann einen Hundeführerschein geben.

Und im Zweifelsfall müssen gefährliche Hunde eingeschläfert werden?

Man muß Hunde, die das zweite Mal Menschen gebissen haben, aus dem Verkehr ziehen. Entweder ist der Halter ungeeignet oder das Tier ist eine Bedrohung. Wir werden aber in der Stadt die Hundehaltung nicht verbieten können, wir wollen das auch nicht. Viele Leute sind alleine, und für diese sind Tiere eben Sozialpartner.

Interview: Katrin Scharnweber

 
 
 
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