Ausgabe 06 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Abenteuer Untergrund

Führungen durch zwei Bunker und die Flakturmruine am Humboldthain

Im Untergrund ist es hell und warm – jedenfalls im Bunker am Blochplatz. Dieser Atombunker aus der Zeit des Kalten Krieges widerspricht allen Untergrundklischees vom düsteren kalten Ort: Die Wände sind weiß und es ist kuschelig warm, wenn auch ein wenig stickig. Jeden Samstag bietet der Verein „Berliner Unterwelten e.V." Führungen durch den Bunker am Blochplatz und die benachbarte Anlage am Gesundbrunnen an.

Die beiden Bunker könnten unterschiedlicher wohl kaum sein. Hat die Anlage am Blochplatz den sterilen Charme eines Krankenhauses, so gleicht der Gesundbrunnenbunker schon eher dem Bild, das sich der Laie von einem Bunker macht. Kahle dunkle Gänge enden in klaustrophobischen Schutzräumen. An den Wänden sind noch Originalaufschriften zu lesen wie „Raum 2 ­ 28 Personen" oder „zum Frauen-Abort". Daß Besucher die Anlage in ihrem Originalzustand bewundern können, ist der Arbeit des Vereins zu verdanken. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nutzten Mitarbeiter der BVG den Bunker vorübergehend als Müllhalde, so daß die Vereinsmitglieder zunächst Bauschutt und Coladosen entfernen mußten.

Das jüngste Projekt der Unterweltler ist der Flakturm am Humboldthain. Seit April führen Referenten des Vereins öffentlich durch diese bizarre Ruine aus dem Zweiten Weltkrieg. Schon als Junge entdeckte der Vereinsvorsitzende Dietmar Arnold den Trümmerberg als „phantastischen Abenteuerspielplatz". Ein paar Jahrzehnte später schaufelte er gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern hunderte Kubikmeter Trümmerschutt beiseite, um den Flakturm begehbar zu machen. Das Ergebnis ist beeindruckend: Eine enge Wendeltreppe führt nach unten ins Ruineninnere. Meterhoch türmen sich dort Schutt- und Geröllberge. Über Gitterroste können Schwindelfreie die gut 20 Meter tiefen Schächte überqueren, die einst Personen- und Munitionsaufzügen dienten.

Der Verein nutzt die Bunkeranlagen auch für kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen und Performances rund um das Thema Untergrund. Am 12. Juni organisierte er zudem eine „Lange Nacht der Bunker", in der rund 1400 Besuchern alle Luftschutztüren offen standen. Zusammen mit dem Diplombiologen und Fledermausexperten Carsten Kallasch entdeckten die Vereinsmitglieder, daß die Flakturmruine am Humboldthain mit ihren verborgenen Winkeln und Schlupflöchern ein wahres Paradies für Fledermäuse ist. Geplant ist nun, weitere Verstecke für die faszinierenden Flugtiere anzulegen und so noch mehr Fledermäuse in den Flakturm zu locken. Das hat allerdings Zeit bis zum Herbst, wenn die Breitflügelfledermaus sich auf die Suche nach einem Winterquartier begibt. Für Menschen bleiben die Tore zum Flakturm dagegen ab Oktober verschlossen – allerdings nur bis zum nächsten Frühling.

Teresa Schomburg

> Führungen durch den Flakturm Humboldthain von April bis Oktober jeden So stündlich von 12 bis 17 Uhr. Führungen durch den Bunker Blochplatz/Gesundbrunnen ganzjährig jeden Sa 12, 14, 16 und 18 Uhr, Eintritt 9 Euro, ermäßigt 7 Euro

> Der Vortrag „Dunkle Welten – Bunker und Tunnel unter Berlin" findet am 26. August um 19.30 Uhr in der Urania in Schöneberg statt.

> Berliner Unterwelten e.V., Brunnenstr. 108a, Mitte, fon 49910518, infos unter www.berliner-unterwelten.de

 
 
 
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