Ausgabe 05 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Aus der Öko-Ecke zum Lifestyle

Lokale Agenda (VII): Ökologie in der Stadt

Ökologische Themen sind spätestens seit permanenten Haushaltskrisen und Wirtschaftsflaute in dieser Stadt ziemlich out. Es geht um Arbeitsplätze oder darum, seinen eigenen Lebensstil zu kreieren – also auch einmal schnell für einen Kurztrip in den Süden zu fliegen. Ökologische Projekte erinnern da eher ein wenig an die achtziger Jahre, als die Grünen noch richtige Grüne waren, die strickend und in Turnschuhen in den Parlamenten saßen. Aber so etwas tut heute kaum noch einer und sollte man sich demzufolge nicht von einem Thema wie Ökologie in einer Großstadt wie Berlin endlich verabschieden?

Schaut man sich das Forschungsprojekt „Stadtökologie" der Humboldt-Universität an, wird noch einmal bewußt, wie komplex dieses Thema eigentlich ist. Hier geht es um rund ein Dutzend Themen wie Luftverschmutzung, Auswirkungen der massiven Bodenversiegelung oder Grundwasserbelastung. Einige Projekte der Lokalen Agenda 21 (LA 21) versuchen, sich direkt mit einzelnen ökologischen Bereichen zu beschäftigen, wie zum Beispiel die „Lokale Aktion durch Biomasse in Pankow". Ein Projekt, das zum Ziel hat, eine Lehranlage für die ökologische Verwertung von Biomasse aufzubauen. Einerseits gibt es diese gutgemeinten, in einer Großstadt wie Berlin aber doch ein wenig verloren wirkenden Projekte. Die größere Zahl von Aktionen beschäftigt sich mit Themen wie Ernährung und Konsumverhalten. Solche Themen „liegen im Trend", so Gudrun Vinzing von der Grünen Liga Berlin. Sich gesund zu ernähren, ist Teil eines Lebensstils geworden ­ und eher en passant trägt man dann dazu bei, den Hauptverursacher von Boden- und Grundwasserbelastung, den industriellen Landanbau, ein wenig zugunsten ökologisch orientierter Varianten zu reduzieren.

Mit dem neuen Projekt „Lifeguide" will man die Chance wahrnehmen, nun völlig aus der alten „Öko-Ecke" rauszukommen und über Lebensstil- und Konsumfragen verstärkt Einfluß auf Themen wie Ökologie zu nehmen. Um was geht es in diesem LA 21-Projekt? Mit dem Internetportal „Lifeguide" werden insgesamt 16 wichtige Lebensbereiche ­ von Ernährung bis hin zu Energie, vom Wohnen bis hin zur Mobilität ­ abgedeckt. Klickt man einen bestimmten Lebensbereich wie Second-Hand & Reparieren an, werden Adressen von verschiedenen Läden in der Stadt aufgeführt. Zusätzlich kann man sich zum Thema jeweils Informationen von Behörden und Projekten ansehen. Diese Informationen sind jeweils inhaltlich so aufbereitet, daß es oftmals gar nicht mehr nötig ist, noch auf die jeweiligen eigenen Seiten dieser verschiedenen Institutionen zu gehen. Das spart Zeit und Nerven und ist im Sinne der „Nutzerfreundlichkeit", so Projektleiterin Vinzing.

Darüber hinaus ist „Lifeguide" interaktiv, das heißt, man kann als Besucher selber Tips, Informationen und Adressen abgeben. Das bisher in München (www.lifeguide-muenchen.de) realisierte Portal wird in Berlin gerade entwickelt und ist ab September (www.lifeguide-berlin.de) im Internet zu finden. Optisch ist „Lifeguide" modern gestaltet und fern ab von einem oft etwas miefig wirkenden Ökostil. Ideologischer Ballast wie längere Erklärungen über Nachhaltigkeit oder Ökologie wird auf ein Minimum reduziert und damit der realistischen Einschätzung der Projektleiterin geopfert, daß „die Leute es leid sind, belehrt zu werden". Selbst der Name „Lifeguide" ­ der wie aus einer Kiste der Werbebranche entliehen wirkt ­ ist Politik: Man will weg vom bisherigen Öko-Image und neben den üblichen ökologisch Interessierten weitere Kreise erreichen. Mit „Lifeguide" bietet man durchaus auf hohem Niveau nun etwas Massenkompatibles. In München sind ca. 50000 Zugriffe im Monat auf der Homepage zu vermelden.

Wie sehr aber ökologische Belange letztendlich immer wieder der politischen Wetterlage ausgesetzt sind, wird durch die jüngste Debatte der Berliner Landesregierung jedoch deutlich: Der Senat konnte sich bisher nicht durchringen, die Erweiterung der ökologisch sinnvollen Energiegesetze (EEG-Gesetz) im Bundesrat mitzutragen ­ und steht damit konträr zu den verschiedenen LA-Projekten, die im Sinne von Energiesparen und erneuerbarer Energie in Berlin aktiv sind.

Dirk Hagen

> Interessierte und potentielle Unterstützer des Projekts „Lifeguide" können sich unter vinzing@grueneliga.de melden

 
 
 
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