Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Doppelt verdienen an denen, die verdienen wollen

Der Autorenhaus Verlag gibt vor, den Weg zum literarischen Erfolg zu kennen

Was die wuchernde Branche der Ratgeberliteratur allgemein auszeichnet, trifft nicht weniger auf Bücher zu, die sich mit Tips und Hinweisen an Schriftsteller – oder besser diejenigen, die es werden wollen – richten: Sie sind geschrieben, um sich zu verkaufen; entsprechend marktkonform und weitgehend massenkompatibel geben sie sich. Literaturratgeberliteratur muß also notwendigerweise einen originellen oder gar experimentellen Zugang zu seinem Gegenstand meiden. Stattdessen floskelt es munter: „Erzählen! Erzählen!" und „Handlung! Handlung!", weil das das Gebot des Buchmarktes sei. Das mag manch einer als unzureichend empfinden (aber das Problem der meisten dieser Druckerzeugnisse besteht ja darin, daß sie keine Antworten auf konkrete bzw. komplexe Fragen geben können). Für die Verlage hingegen ist das Ratgeber-Geschäft äußerst lukrativ: Es scheint genug Bedürftige zu geben, die Schreibhilfebücher kaufen.

Der Autorenhaus Verlag Berlin hat sich auf solche Ratgeber, Schreibanleitungsbücher für literarische Debütanten, Marketingtips für diesbezüglich notorisch unterbelichtete Dichter spezialisiert. Die Bücher des Verlags heißen Schreiben wie ein Schriftsteller oder Vom Schreiben leben. In der größten Programmsparte Kreatives Schreiben tauchen auch noch famose Titel wie Schreiben in Cafés oder Lass Laufen! auf. Zudem gibt der Verlag zweijährlich das Deutsche Jahrbuch für Autoren und Autorinnen heraus.

Das Jahrbuch ist ­ auch für Profis ­ ein ganz nützliches Kompendium, das etwa 2000 Adressen von Verlagen, Agenturen, Literaturzeitschriften versammelt. Nicht mehr darin aufgeführt sind jedoch, wie noch vor wenigen Jahren, die Literaturpreise: „So viel detaillierte Information hätte das Handbuch unhandlich gemacht." Stattdessen wird auf das Autorenhaus-Produkt Literaturpreise und Autorenförderung verwiesen. Im Jahrbuch befinden sich neben den Adressen quasiliterarische Beiträge einiger bekannter, in der Hauptsache jedoch nur mäßig begabter Autoren oder „Jugend schreibt"-Eleven, außerdem Beiträge, die Werbung für andere Autorenhaus-Bücher machen, und alberne Karikaturen, völlig überflüssig. Hätte der Verlag auf solch „schmückendes" Beiwerk verzichtet, wäre noch genug Platz für die Literaturpreise gewesen. So scheint es, als wollte der Verlag doppelt an denen verdienen, die versuchen, mit dem Schreiben von Literatur das nötige Geld zum Leben zusammenzuklauben: Indem er zwei Bücher verkauft statt nur eines.

Ähnlich verfährt Autorenhaus bei der Werbung für andere seiner Bücher. Dem schreibungeübten Debütanten eröffnet der Verlag auf diese Weise ein komplettes Karrierebegleitprogramm: Ihm wird empfohlen, „bevor Sie ein Buch über handwerkliche Aspekte des Schreibens lesen", das Autorenhaus-Produkt Schriftsteller werden zur Hand zu nehmen. Darin wird vermittelt, „wie ein Schriftsteller zu werden"; hernach könne man ­ unter Autorenhaus-Anleitung, versteht sich ­ daran gehen, „wie ein Schriftsteller zu schreiben". Als nächstes sollte man sich mit den Eigenheiten des Genres, in dem man zu dilettieren beabsichtigt, vertraut machen, z.B. anhand von Crime ­ Kriminalromane und Thriller schreiben. Für folgende Schreibblockaden steht ebenfalls ein Ratgeber zur Verfügung. Das fertige Buch schließlich wird mit Hilfe von So verkaufen Sie Ihr Buch! erfolgreich unters Volk gebracht usw.

Ja, so wird man ein richtiger, ein anerkannter Schriftsteller, der von seinen Veröffentlichungen leben kann. Oder auch nicht. Dafür besitzt man dann das halbe Autorenhaus-Programm. Und schreibt eben selbst einen Ratgeber zu den vorher konsumierten Ratgebern.

Gertrude Schildbach

 
 
 
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