Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Drei polnische Würstchen wursteln sich durch

Vom Saufen gestützte Kultur: der Klub der Polnischen Wurstmenschen

Zu den Polnischen Versagern braucht man nicht mehr viel sagen, sie sind in Berlin-Mitte und weit darüber hinaus bekannt. Spätestens, seit sie bei Alfred Biolek so dämlich geschwiegen haben. Mag der Leser selbst den in der Torstraße gelegenen „Club der Polnischen Versager" besuchen. Neben Reihen wie „Polnische Autoren läsen für deutsche Verlage" und polnischen Filmvorführungen erlebt er hier legendäre Suffabende, bei denen mit Luftgewehren auf Bananen und Barbies geschossen werden darf oder israelische Reisegruppen hitzige Debatten entfachen.

Soviel zu den Polen, die sich Versager nennen. Nun zu den Polen, die aus Wurst gemacht wurden. Das Buch Klub der Polnischen Wurstmenschen handelt von drei solchen: „Zum ersten Mal erschien die Gestalt aus Wurstmasse im Jahre 1998 in einer polnischsprachigen Radiosendung des Berliner Senders SFB. Es war ein 15-minütiges Hörspiel, das die Entstehung eines Wurstmenschen und seine ersten Schritte auf deutschem Boden schilderte. Der Klub der polnischen Wurstmenschen ist die Fortsetzung und Entwicklung der Geschichte des Lebewesens aus polnischer Wurstware."

Die Handlung des Abenteuerromans geht so: Drei menschenähnliche Wesen, von polnischen Forschern aus Wurst zusammengebastelt, verlassen ihre Heimat, um in der BRD ihr Glück zu machen. Sie erleben seltsame Geschichten, lernen deutsch, schreiben wurstige Gedichte, am Ende jagen Agenten die Wurstmenschen. Es wird geschossen, geliebt, geflüchtet und ­ logisch ­ gesoffen.

Wir lesen schöne Sätze wie: „In dem Land, aus dem der Wurstmensch stammte, hatte das Trinken eine lange und bunte Tradition. Die vom Saufen gestützte Kultur erreichte ihren Höhepunkt in dem letzten Jahrhundert und man kann ohne Scheu sagen, daß es sich hier um so etwas wie das zweite Goldene Zeitalter in der polnischen Geschichte gehandelt hatte." Die sprachlichen Ungeschliffenheiten machen das Lesen heiterer: „In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zog die Literatur von den Restaurants in die Universitäten um. Und das konnte nichts Gutes bedeuten ... Es war die alkoholische Zeit der Fehler und der in den Folgen dramatischen Entstellungen."

An der Rahmengeschichte der drei Wurstdeppen hängen die polnischen Versagerfreunde ihre Kalauer und hochwertigeren Betrachtungen wie Perlen auf. So beschreibt der Autor den Wurstmenschen als „romantisch, mit geistiger Verwirrtheit und patriotischer Rührseligkeit stark behaftet, fähig, jede solide Daseinskonstruktion und jede Form der gegenwärtigen Existenz zu erschüttern". Die Medien beginnen, sich für die Wurstmenschen zu interessieren, Studien werden erstellt und eine Broschüre mit dem gewagten Titel Chopin, Nietzsche und ein Wurstmensch aus Polen verfaßt. Die Wurstmenschen irrlichtern inzwischen durch die Republik. Einer gibt Lesungen anhand dummschwätziger Gedichte, ein anderer lebt im Kloster, und „die Vermutungen, die gnadenlosen Mecklenburger hätten zwei Wurstmenschen aufgegessen, haben sich nicht bewahrheitet".

Anne Kathrin Hahn

> Leszek Herman Os´wie(ogonek)cimski: Klub der Polnischen Wurstmenschen. Versager Verlag Berlin, 2002, im Club der Polnischen Versager, Torstraße 66, Mitte, preiswert zu erstehen

 
 
 
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