Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Medienkunst als zukunftsweisende Literatur?

Foto: Ludger Paffrath

Thomas Wohlfahrt, der Leiter der literaturWERKstatt, um Superlative nie verlegen, spricht von einer weltweiten Pionierleistung, bezeichnet das Katalogbuch als „Bibel der digitalen Poesie". Man muß gar nicht so dick auftragen, um die von Friedrich W. Block (s. Interview S. 9) kuratierte Ausstellung p0es1s.Digitale Poesie als einen interessanten Überblick über das, was sich im Grenzbereich zwischen Medienkunst und Literatur abspielt, zu würdigen.

Die Präsentation in den Sonderausstellungshallen am Kulturforum zerfällt in ­ meist komplexere ­ Arbeiten, durch die man sich in aller Ruhe allein am Bildschirm klicken müßte, und raumgreifende, sich schneller erschließende Installationen wie Text Rain von Romy Achituv und Camille Utterback, bei der man mit herabregnenden Buchstaben spielen kann. Überhaupt setzen die meisten Arbeiten auf Interaktion. In Frank Fietzeks Bodybuilding werden Texte mit Muskelkraft generiert, während Daniela Alina Plewe einen „Meta-Browser" entwickelt hat, mit dem man auf beliebige Internet-Seiten zugreifen kann, um das Textmaterial durch Synonyme mit frei wählbarem Abstraktionsgrad zu ersetzen.

Unter den 40 internationalen Künstlern sind nur wenige mit einem klassischen literarischen Hintergrund. Und Oskar Pastior ist nur dabei, weil die Medienkünstlerin Ulrike Gabriel seine Verfahrensweisen programmiert hat. Die meisten Autoren sind nach wie vor stolz, wenn sie Word bedienen können. Ob wir es hier mit einer literarischen Avantgarde zu tun haben oder mit einem Seitenweg, muß man noch abwarten.

hb

> „p0es1s. Digitale Poesie", noch bis zum 4. April in den Sonderausstellungshallen am Kulturforum, Eingang Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 22 Uhr

 
 
 
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