Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Zwischen Programm und Verordnung

Lokale Agenda 21 (IV): Soziale Stadtentwicklung

Um in den bunten Strauß der verschiedensten Projekte der Lokalen Agenda 21 (LA 21) wenigstens den Versuch einer Übersichtlichkeit zu bringen, hat das Agendaforum in Berlin zehn Fachforen bzw. AGs gebildet. Diese Fachforen sollen die Projekte bündeln und lassen eine Vorstellung der Ideen und Ziele der Projekte der einzelnen Themenkreise erahnen. Mit „Soziale Stadtentwicklung" taucht nun eine Überschrift auf, die wie eine alte Bekannte vielen Stadt- und Kiezinteressierten doch geläufig ist und einen an oft zitierte Dinge wie Quartiersmanagement (QM), Sanierungsgebiet, Milieuschutzverordnung, Nachbarschaftszentren denken läßt. Nun also auch noch LA 21 und soziale Stadtentwicklung?

Forumleiter „Soziale Stadtentwicklung" Norbert Rheinlaender nennt in diesem Rahmen einige „Leitprojekte": von generationsübergreifendem Wohnen, alternativer Nutzung des ehemaligen Reichsbahn-Ausbesserungswerks „RAW-Tempel", autofreiem Wohnen im Stadtviertel bis hin zum „Experiment City Berlin". Ein sich noch in der Planungsphase befindendes Zusammentragen vorhandener alternativer Nutzungsideen von Brachflächen in der ganzen Stadt. Doch auch verschiedene Projekte eines LA 21-Forums müssen nicht immer viel gemeinsam haben. Allein der „RAW-Tempel" mit über 40 Künstlern auf 600 Quadratmetern ist schon fast eine Welt für sich. Andere Ideen sind über die Ideenphase nie hinausgekommen.

Die Probleme in der Umsetzung all dieser durch Bürgerinitiativen, Vereine oder Privatpersonen initiierten Projekte im Rahmen von LA 21 liegen im wesentlichen in der Unverbindlichkeit der Agenda: Im Gegensatz zum Orchester der mehr oder weniger relevanten Verordnungen, Maßnahmen und Programme ist die LA 21 weder richtig in der Verwaltung verankert noch finanziell ausreichend ausgestattet ­ und ist damit als konstantes „Steuerungsinstrument" im Stadtviertel eine sehr vage bis gar keine Größe.

Heidede Becker vom deutschen Institut für Urbanistik, die für das bundesweite Programm „Soziale Stadt" zuständig ist, bewertet die Projekte als oft „abgehoben" und setzt lieber auf eine tatsächliche „Umsetzung von Ideen". Gerade wenn es um problematische Stadtviertel geht. Auch sieht sie wenig Zusammenwirken zwischen den einschlägig bekannten Instrumenten der Stadtentwicklung und der LA 21. Jedoch wird ein Problem deutlich: Bei den nur geringen zur Verfügung gestellten Mitteln im Bereich Soziales und Stadt ist die LA 21 ein weiterer Konkurrent im Verteilungskampf ums Geld ­ und wahrscheinlich bei den etablierten „Stadtprofis" nicht immer gern gesehen. Aber gerade der Umstand, daß die Projekte der LA 21 in der Regel nicht von den sich professionell mit dem Thema Stadt und Soziales beschäftigenden Stadtplanern, Sozialwissenschaftlern und der anwachsenden Menge von „Stadtexperten" angeschoben werden, bietet auch Chancen: „Bevölkerungsgruppen engagieren sich, die sonst kaum noch angesprochen werden", so die These des Soziologen Sigmar Gude, der seit über 30 Jahren im Bereich soziale Stadtentwicklung in Berlin forscht und arbeitet.

Die im letzten Agendaforum von der Staatssekretärin Krautzberger formulierte Vorstellung, die wenigen vorhandenen finanziellen Mittel nur noch in einige wenige Leitprojekte zu stecken ­ sogenannte „punktuelle Projekte" ­ hat laut Becker natürlich Vorteile rein pragmatischer Natur. Dabei wird aber zugleich eine der Grundideen von LA 21 entsorgt, nämlich Formen von Bürgerbeteiligung und Partizipation voranzutreiben, meint dagegen Sigmar Gude. Wenn schon im Konzert von „Steuerungsinstrumenten" im Bereich der sozialen Stadtentwicklung die LA 21-Projekte im Prinzip aktuell und wahrscheinlich auch zukünftig kaum eine Rolle spielen, so hätte doch zumindest die Mehrzahl der Projekte vielleicht ein bißchen mehr verdient als nur ein vages „Dach", zusammengehalten durch den Begriff LA 21 ­ wenn man denn Bürgerbeteiligung oder alternative Formen von Stadtentwicklung in der Stadt überhaupt noch will.

Dirk Hagen

 
 
 
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