Ausgabe 01 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Angot bis Zola, Houellebecq bis Jospin

Berlin hat wieder eine französische Buchhandlung

Der Name des neuen Buchladens erinnert an eine Romanfigur des großen französischen Aufklärers Voltaire: Zadig, ein Araber mit philosophischen Neigungen, wird vom Schicksal nicht geschont, bewahrt sich aber dennoch seinen Optimismus und wird schließlich sogar König. Sein Leben bewegt sich zwischen der Befürchtung, „qu'il est difficile d'être heureux dans cette vie" und der Überzeugung, „qu'il n'est pas difficile d'être heureux".

Patrick Suel, der Besitzer des Buchladens Zadig, ein junger, philosophisch gebildeter Franzose, ist zuversichtlich, daß seine Librairie in Berlin ein Erfolg wird: Zwar mußte im letzten Jahr die Romanische Buchhandlung in Charlottenburg ihre Türen schließen, aber angesichts einer großen Gemeinde von Franzosen und Liebhabern französischer Literatur in Berlin ist die Annahme nicht zu kühn, daß Bedarf vorhanden ist. Gefragt nach seiner Zielgruppe, antwortet Suel mit der griffigen Formel: „Français, francophones, francophiles". Nachdem Zadig Thema einer Radiosendung war, suchten viele Neugierige den Laden auf, und die Mundpropaganda tat ein übriges, so daß Suel schon jetzt über mangelnde Kundschaft nicht klagen kann.

Im Schaufenster des am 15. September eröffneten Ladens finden sich Bücher von Boris Vian, Michel Houellebecq, viel Cocteau. Die belletristische Ausrichtung ist unverkennbar, die Autoren, geordnet von „A comme Angot" bis „Z comme Zola", bilden sicherlich drei Viertel des Bestands. Dabei sind Klassiker ebenso vertreten wie moderne, junge Autoren. Selbstverständlich auch die franko-arabische Literatur, die schließlich einen nicht wegzudenkenden Bestandteil der französischen Literatur bildet. Claude Ollivier, der „literarische Berater", hat sich besonders die Entdekkung und Präsentation neuer Autoren, kleiner Verlage, von Literatur jenseits des Mainstreams zum Ziel gesetzt. Sein langfristiges Projekt ist die Gründung eines französischen Verlags in Berlin.

Außer dem großen Bereich Romane gibt es die Sparten Poesie, Literaturwissenschaft und -geschichte, Linguistik, Orthographie (ja, auch das!), Interpretationen. Im Erotik-Regal entdeckt man den erotischen Aufklärer bzw. aufgeklärten Erotiker Boyer d'Argens, auch der Portier des Chartreux fehlt nicht. Und die Esoterik? Keine Rede von „Kraft der Sterne" oder ähnlichem, dafür ist zum Beispiel Literatur über Jospins Sozialisten nach deren Wahldebakel in die Esoterik-Ecke gewandert. Ein Tischchen im Eingangsbereich bietet Platz für die wichtigsten französischen Literaturmagazine. Ausbaufähig ist der Bereich Geschichte/Sciences humaines, aber daran wird bereits gearbeitet.

Positiv fällt auf, daß Bildbände über Paris sowie die unvermeidlichen Saint-Exupéry, Camus und Sartre nicht überrepräsentiert sind. Das bekommt man schließlich auch in anderen Buchhandlungen. Zadig möchte aber eine Librairie sein, wie sie auch in jeder französischen Stadt zu finden sein könnte, mit einem ausschließlich französischsprachigen Sortiment. Suel beteiligt sich auch in der „Initiative citoyenne" an dem, was in Berlin an (deutsch-)französischer Kultur geboten wird. Im Dezember fand eine Lesung für Kinder statt, weitere Autorenlesungen sind in Planung. Und im Mai soll ein „Café philosophique" ins Leben gerufen werden, in dem über aktuelle Themen, Literatur, Philosophie, Politique franco-allemande diskutiert wird.

Bernd Eilmes

> Buchhandlung Zadig in der Linienstr. 141 (Ecke Oranienburger), Mitte, www.zadigbuchhandlung.de

 
 
 
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