Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Potsdam unter der Fuchtel Roms

Geldregen und Sonderrechte für die katholische Kirche in Brandenburg

Schlösse eine Privatperson einen derartigen Vertrag, ihre Angehörigen hätten vermutlich gute Chancen, sie entmündigen zu lassen: Der Vertrag ist de facto unkündbar und schreibt eine ganze Menge Verpflichtungen fest, denen keine entsprechenden Leistungen gegenüberstehen. Einen solchen Vertrag hat das Land Brandenburg am 12. November mit dem „Heiligen Stuhl" in Rom geschlossen, und man hat schon gewußt, warum der Inhalt der Vereinbarung praktisch bis zuletzt geheimgehalten wurde. Die Medien haben – wie gewohnt, wenn es um Kirchenprivilegien geht – fast geschlossen geschwiegen, und den meisten Bürgern dürfte kaum bewußt sein, welcher groteske, zudem verfassungsrechtlich bedenkliche Vertrag ihnen da aufgebürdet wurde, wie da ohne Not Geld zum Fenster hinausgeworfen wird: Mit einem sogenannten Konkordat hat Brandenburg als letztes der neuen Bundesländer ein Abkommen mit der katholischen Kirche geschlossen, das für diese eine Sonderrolle festschreibt und einen Geldsegen in Millionenhöhe bedeutet.

Katholiken in Brandenburg? Ja, ein paar gibt es tatsächlich, etwa 3 Prozent der Bevölkerung. Dieser Minderheit stehen eine deutlich größere Minderheit von Protestanten (25 Prozent) und die Mehrheit der Konfessionslosen (71 Prozent) gegenüber. Brandenburg hat sich jetzt zu einer jährlichen Zahlung von 1,15 Millionen Euro an die katholische Kirche ab 2004 verpflichtet. Darüberhinaus fallen auf der Grundlage dieses Vertrages Leistungen an, die diese Summe noch um einiges übersteigen dürften; Pfarrergehälter werden aus Steuergeldern subventioniert; die Kirche darf an Schulen per Religionsunterricht missionieren, ihr werden die Türen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geöffnet, um dort „Seelsorge" zu betreiben; Sendezeit und Mitsprache in Rundfunkgremien werden ihr eingeräumt; das Land treibt für die katholische Kirche die Kirchensteuer ein und versorgt sie mit Daten aus dem Melderegister; die Kirche wird von Verwaltungsgebühren freigestellt und hat das Recht auf Konsultation durch das Land in allen sie betreffenden Angelegenheiten; eine Kündigungsklausel enthält der Vertrag nicht. Die Trennung von Staat und Kirche, die ja zumindest auf dem Papier Verfassungsrang hat, wird dabei höchst einseitig interpretiert: Der Staat darf zahlen, hat aber nichts mitzureden, etwa bei der Gestaltung der Lehre an Schulen und Universitäten und bei der Besetzung von Posten ­ und auch keine Möglichkeit, den Vertrag zu modifizieren, wenn bespielsweise die Zahl der dem römischen Aberglauben Anhängenden noch weiter sinken sollte.

Warum hat sich Brandenburg derart über den Tisch ziehen lassen? Die Frage ist falsch gestellt, denn Verhandlungsbedarf hat es ja eigentlich gar keinen gegeben, bloß Geldwünsche seitens der Kirche. Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen kommen bis heute auch ganz gut ohne Konkordat aus ­ im Falle einer Länderfusion freilich wird Berlin an dem unkündbaren Knebelvertrag auch noch zu würgen haben.

Daß Brandenburg der römischen Kirche in den Arsch kriecht, ist dabei kein überraschender Vorgang, sondern leider noch immer business as usual, wenn es darum geht, die beiden großen Kirchen zu privilegieren und ihnen Gelder zuzuschieben. Die Fan-Initiative des Fußballvereins Schalke hat derweil auch Interesse angemeldet, mit Brandenburg ein Konkordat auszuhandeln: „Denn sicher liegt der Anteil von Schalke-Fans in Brandenburg ähnlich hoch wie der der Papst-Fans."

Peter Stirner

 
 
 
Ausgabe 10 - 2003 © scheinschlag 2003/04