Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

musik für die massen: Themenabend

An sich eine langweilige Sache: eine CD mit nur einem Song in unterschiedlichen Interpretationen zu bespielen. Allerdings ist das Risiko von Gähnattacken bei einem Song wie Fever (Roof-Music) ziemlich gering. Es war der erst 17jährige Rhythm'n'Blues-Sänger Little Willie John, der das Fieber-Virus verbreitete. 1956 nahm er die Komposition des Songwriters John Davenport alias Otis Blackwell auf und landete sofort einen Hit. Inzwischen gehört Fever zu einem der meist gecoverten Songs. 19 Versionen sind auf dieser One-Song-Compilation nachzuhören. Dabei reicht die Spannweite von Soul über schmutzigen Garagen-Rock bis hin zu groovenden Raggae-Dub-Nummern. Zum Dahinschmelzen ist eine französische Interpretation von Caterina Valente, während die Coolness einer deutschen Nummer überrascht: Gemeinsam mit dem Bert Kämpfert Orchester beweist Cindy Ellis, daß Fieber auch auf Deutsch ansteckend bleibt. Warum dieser Schatz bisher in Regalen verstauben mußte, bleibt das Geheimnis der Plattenfirma.

Auch wenn sich Essential Latin Flavas mit nur einem Thema beschäftigt, ist der Interpretationsraum etwas weiter gefaßt. Bereits mit ähnlichen Veröffentlichungen (Essential Asia-Flavas, Futuro Flamenco) untersucht das englische Label Outcaste die Tiefen und Breitenwirkung bastardisierender Regionalspezialitäten. „Essential" ist das nicht unbedingt – gibt aber einen guten Überblick über die sogenannten Latin-Sounds und die Mutation und Modulation in Richtung HipHop, Breakbeats und Dancefloor. Umgekehrt dokumentiert die Zusammenstellung die Wandlungsfähigkeit von Musikkonzepten, die klassisch in die Ecke von Weltmusik geschoben werden.

Widerstand und links-alternatives Politikverständnis zum Thema seiner Songs zu machen, ist ein heikles Unterfangen: Kein Wunder, wenn dieses Terrain in den letzten Jahren recht verlassen dalag. Unter dem an sich wenig verheißungsvollen Namen Rotes Haus zeigt eine Band aus Hamburg, daß es auch anders geht. Hier klimpert fröhliche Kinderzimmer-Elektronik neben Punkgitarren, Samba Sounds mischen sich mit House-Beats. Zwar schrammen die Texte in ihrer Verbalradikalität und der altbekannten Konsum- und Gesellschaftskritik hart an der Grenze zu linker Attitüde entlang, doch richtig böse wird das nie. Vielleicht ist das so wie bei den frühen Chumbawamba-Scheiben: Der gekonnte Spagat besteht aus korrekter Analyse der politischen Verhältnisse und vereinfachender Schwarz-Weiß-Logik, verpackt in ein rundum sympathisches musikalisches Konzept. 73,29 Minutes To Save The World (Pläne) wirkt musikalisch unverkrampft und wenig wichtigtuerisch. Die Band demonstriert, daß das Politische in Popsongs durchaus eine direkte und offensive Sprache verträgt.

Marcus Peter

 
 
 
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