Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Enthüllung: Harald Juhnke ­ Alkoholiker!

Susanne Juhnkes Skandalbuch

Seit zwei Jahren lebt der Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke in einem Pflegeheim für Demenzkranke. Im Dezember 2001 wurde der Presse mitgeteilt, der „deutsche Frank Sinatra" würde nie mehr öffentlich auftreten. Jetzt erfährt die Öffentlichkeit endlich, warum. Seine Frau Susanne hat ein Buch veröffentlicht, aufgeschrieben mit Unterstützung der Journalistin und Event-Produzentin Beate Wedekind, das einigen Staub aufgewirbelt hat: In guten und in schlechten Tagen. Mein Leben. Würde das knapp 400seitige Machwerk seinem Titel gerecht, es wären davon schwerlich mehrere hunderttausend Exemplare verkauft worden. Denn für das Leben der 1944 geborenen Berlinerin würde sich kaum jemand interessieren, hätte sie nicht Anfang der siebziger Jahre ihre Schauspiel-Karriere aufgegeben, um als aufopfernde Ehefrau ganz „Deutschlands größtem Schauspieler" (H. Juhnke über H. Juhnke) zu leben.

Also überblättern wir geflissentlich die ersten 70 Seiten über die glückliche Charlottenburger Nachkriegskindheit und „erste Jobs", bis endlich die große Liebe in das Leben der 26jährigen Susanne Hsiao tritt; „Harald Juhnke heiratet eine Eurasierin", meldet bald darauf die Münchener Abendzeitung. „Nun war unsere Liebe legalisiert und unser Schicksal besiegelt", erinnert sich Frau Juhnke. Doch bald meldet sich ein „Dritter im Bunde" und stört das junge Glück: der „Teufel Alkohol". Und das ist auch das Brisante an diesem Buch: Susanne Juhnke macht die Alkoholkrankheit ihres Mannes öffentlich! Wer sich gefragt hat, warum ein gerade mal 70jähriger in ein Pflegeheim eingeliefert wird, warum Harald Juhnke immer wieder Tourneen abbrechen mußte, oft monatelang nicht in der Öffentlichkeit auftreten konnte, auch, warum er Falladas Trinker so überzeugend verkörpern konnte, findet in Susanne Juhnkes Erinnerungsbuch die Antwort: Harald Juhnke ist Alkoholiker. Ein letzter Wodkaabsturz in Baden bei Wien im Sommer 2000 führte schließlich zu einer schweren irreversiblen Gehirnschädigung, dem sogenannten „Wernicke-Korsakow-Syndrom".

In den ersten Ehejahren war alles noch nicht so schlimm, wenn der Schauspieler auch hin und wieder ein „Glas über den Durst" trank. Doch dann kamen die ersten Wodkaräusche. „Sollte der Mann, den ich liebe, eine andere, mir unbekannte Seite haben?" fragte Susanne Juhnke sich damals ­ eine, wie auch wir jetzt durch ihr Buch erfahren, zutreffende Vermutung. Der „andere" Harald Juhnke verschwand oft tagelang, brüllte beleidigend herum, hörte in ohrenbetäubender Lautstärke Sinatra und kündigte in Interviews seinen Suizid an: „Seine Persönlichkeit war gespalten, der Alkohol hatte das Böse und das Zerstörerische in ihm geweckt."

Kernstück von Susanne Juhnkes Buch ist aber ein Tagebuch, das sie nach dem Badener Absturz begann. „Die Gegenwart ist eine einzige Tragödie", lesen wir dort: Harald hat nur wenige lichte Momente, rasiert sein Spiegelbild, nimmt an fiktiven Dreharbeiten teil. Seiner Frau fällt indes die Decke auf den Kopf, sie schweigt ihre Mutter beim Tee an, kämpft im Golfclub gegen Depressionen. Aber das interessiert uns eigentlich nicht, schnell erlahmt das Interesse an diesen von der ehemaligen Bunte-Chefredakteurin in schlechtes Illlustriertendeutsch redigierten Selbstbespiegelungen, die für die gelangweilte Prominentengattin gleichwohl eine therapeutische Wirkung gehabt haben mögen.?

Florian Neuner

* Susanne Juhnke: In guten und in schlechten Tagen. Mein Leben. Droemer, München 2003. 19, 90 Euro

 
 
 
Ausgabe 09 - 2003 © scheinschlag 2003