Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Mißliebige Nachbarn

Neue Sorgen für Wagenburgen

Nachdem es im Spätsommer so aussah, als hätten die Bewohner der Wagenburg „Schwarzer Kanal" für einige Zeit Ruhe vor mißliebigen Zeitgenossen, sitzen ihnen nun erneut Anwälte im Nacken. Denn kaum waren die Streitigkeiten mit einem gegenüber der Wagenburg angesiedelten Architektenverband dadurch beigelegt worden, daß die Bewohner sich von einem Teil des ihnen bis 2005 per Nutzungsvertrag überlassenen Grundstücks zurückzogen (s. scheinschlag 5/03 ), machte die Firma Office als Verwalter des an die Wagenburg angrenzenden Bürocenters „Spree-Carré" Ärger. Dort steht nämlich der überwiegende Teil der vermietbaren 11000 m2 Gewerbefläche („Call: 0700-Hauptstadt") leer, was in Makleraugen natürlich nicht am inflationären Angebot von Büroflächen in Berlin, sondern an der Präsenz des Schwarzen Kanals liegt.

Die von den Betreibern des Spree-Carré eingeschalteten Anwälte verlangten nun die vollständige Räumung des Grundstücks Köpenicker Straße 54. Diese war im Rahmen des Rechtsstreits zwischen der Wagenburg und dem Architektenverband im Frühsommer gerichtlich verfügt worden. Die Bewohner der Wagenburg mußten sich fügen, da die Staatsmacht andernfalls eine polizeiliche Räumung ankündigte. Außerdem wünscht die Firma Office, daß zwischen dem geräumten Grundstück und dem Grundstück Michaelkirchstraße 20/ 21, auf dem sich die mittlerweile reichlich beengte Wagenburg befindet, ein Zaun gezogen wird ­ wohl um zu verhindern, daß ein vorwitziger Wagenburgbewohner unversehens ins Blickfeld der Büroangestellten gerät. Im Rahmen einer Begehung am 20. Oktober stellten aber Mitarbeiter des Bezirksamts und der Senatsverwaltung fest, daß auf die Errichtung eines Zaunes verzichtet werden kann. Es bleibt zu hoffen, daß die Betreiber des Spree-Carré nicht eine neue Klage einreichen, um die Räumung des Nachbargrundstücks durchzusetzen.

Noch größere Probleme plagen jene Wagenburgen, die nicht mal einen legalen Standplatz haben. Die Aktivisten der Wagenburg „Platz B", welche seit Monaten durch verschiedene Aktivitäten versuchen, einen halbwegs zentral gelegenen Stellplatz zu ergattern, veranstalteten am 16. Oktober eine spontane Camping-Aktion vor dem Rathaus Mitte. Diesmal erzielten sie sogar einen vorläufigen Erfolg: Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) sagte ihnen Verhandlungen mit dem Liegenschaftsfonds über eine Zwischennutzung von Grundstücken zu.

Thorsten Friedrich

 
 
 
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