Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Unternehmen Mitte

Geschäftsstraßenmanagements sollen für Aufschwung sorgen

Geschaeftshaus
Foto: Knut Hildebrandt

Die vom Senat in der Stadt installierten sozial-orientierten Maßnahmen – wie z.B. Quartiersmanagements – sind schon bestens bekannt. Nun ist ein weiteres „Management" in der Startphase, jetzt aber mit deutlich ökonomischem Ansatz: Seit September werden in der Müllerstraße, Turmstraße, Brunnenstraße und Leipziger Straße „Geschäftsstraßenmanagements" (GSM) eingerichtet. Träger ist die Dr. Riese & Partner Marketing Service GmbH sowie die Struktura. Finanziert werden diese Einrichtungen u.a. mit Geldern der Europäischen Union sowie ABM-Fördermitteln. Insgesamt vier Geschäftsstraßenmanager werden sich bis 2006 den alles andere als gut laufenden Einkaufsstraßen sowie deren engster Umgebung annehmen.

Ziel ist natürlich, die Attraktivität zu steigern und verschiedene Maßnahmen und Aktionen für die Geschäfte und den Einzelhandel zu koordinieren. Gemeinsame Werbeauftritte und Sonderaktionen zu Weihnachten oder anderen Feiertagen sind geplant. Außerdem soll versucht werden, dem z.T. massiven Leerstand durch Zwischennutzungen beispielsweise von Kunstaktionen zu begegnen. Eine Rückbesinnung auf gute alte Zeiten ist aber nicht angedacht, sondern mit dem trendigen Begriff „Mitte" wird bewußt auf neue Käufer wie Touristen gesetzt. Dabei schreckt man nicht einmal vor solchen Ideen wie „Modemeile für die Brunnenstraße" zurück. Selbst Kreuzberg – einst als autonom und unappetitlich im bürgerlichen Lager verschrien – gilt für die GSMs nun als Vorbild. Immerhin bietet es zumindest belebte Einkaufsstraßen.

Der südliche Teil der Brunnenstraße ­ ausgestattet mit dem typischen Angebot eines trendigen Innenstadtviertels wie Galerien, Cafes usw. ­ soll dem nördlichen Bereich, mit dem Charme des Sozialen Wohnungsbaus der siebziger und achtziger Jahre, auf die Beine helfen, indem ein gemeinsames Image verbreitet und gemeinsame Aktionen durchgeführt werden. Selbst Slogans wie „Billigmeile" ­ z.B. für die Turmstraße ­ sind kein Tabu mehr. Ob Touristen ein Einkaufen in der Müller- oder Turmstraße aber wirklich noch als „mittig" empfinden, darf dann doch bezweifelt werden.

Daß drei Jahre sehr knapp und die Mittel solcher Managements durchaus beschränkt sind, sieht auch der Koordinator Dr. Riese ein, der schon ein privat finanziertes „Stadtteilmanagement" im Weddinger Gesundbrunnenviertel organisiert. Ohne Zweifel ist der Einfluß der Geschäftsstraßenmanager auf die Vermietungspolitik ­ ob Aldi oder Designershop ­ letztendlich eher gering, da nun mal solche Entscheidungen im Ermessen der Firmen liegen. Um diesen eine Ansiedlung schmackhaft zu machen, soll gezielt mit größeren Vermietern wie Wohnungsbaugesellschaften zusammengearbeitet werden.

Vorteilhaft für die GSMs ist, daß ihr Auftraggeber die öffentliche Hand und nicht ein Sammelsurium von Einzelhändlern ist, deren Interessen oft schon einige Meter vom eigenen Laden entfernt enden. Ein GSM sollte also ­ im Gegensatz zu so manchen Interessengemeinschaften von Einzelhändlern ­ auch die Bedürfnisse der Anwohner vertreten. Damit wird es aber spätestens 2006 vorbei sein, wenn die GSMs wie geplant in eine private Finanzierung übergehen. Dann steht zu befürchten, daß sie nur noch Manager des „Unternehmens Mitte" werden.

Ein aktuelles Problem Berlins wird die Initiative bis dahin kaum lösen können: Bei wenig Einkommen bleibt auch wenig Geld fürs Shoppen übrig – auf welcher „Geschäftsstraße" auch immer. Die Kürzungen der Bundesregierung beim Arbeitslosengeld und anderen Sozialleistungen werden die Situation in den jetzt schon sozial und ökonomisch schwachen Stadtteilen wie etwa dem Wedding weiter verschlechtern – aber auch andere Viertel in der Stadt werden nicht verschont bleiben. Das ganze Ausmaß der Folgen auf Konsum- und Umsatzmöglichkeiten sind noch gar nicht absehbar. Vielleicht braucht dann am Ende gleich die halbe Stadt ein „Management".

Dirk Hagen

 
 
 
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