Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

musik für die massen: Frauenfußball

Frauenfußball, das ist wie Frauenkabarett oder Frauenmusik. Da trennt das Präfix „Frau" das Echte vom Plagiat. Was als Ausschluß funktioniert, ist gleichzeitig eine elegante Einladung für Guerillataktik und Rebellion.

Wenn die Gangsta-HipHopper dieser Welt den Frauen zurufen: „Shake your ass", was liegt da näher als Sängerinnen, die umgekehrt den Männern zurufen: „Shake your dicks!" Diese Frage hat sich offensichtlich auch Peaches gestellt und beantwortet sie dementsprechend, allerdings schleudert sie der Gleichberechtigung wegen auch noch ein: „Shake your tits" hinterher. Die Wahlberlinerin Peaches singt laut und ordinär zu Elektro-Punk-Sound und erfreut – auf dem Cover von Fatherfucker (Kitty-Yo) posiert sie mit sexy-Kuschel-Vollbart – Popstars wie Madonna und Gendertheoretikerinnen gleichzeitig. Und in der Tat ist es beeindruckend, wie Peaches es schafft, mit ziemlich genau einer Pose – Fatherfucker trifft es dabei ganz gut – und einem gleichfalls recht reduzierten Musikprogramm, von Theorie und Clubs begeistert aufgenommen zu werden. Wen interessiert es dann noch, daß dieses Programm unter der Sammelbezeichnung Riot-Girrrls von verschiedensten Bands so ähnlich schon mal vorgeturnt wurde?

Während Peaches also einen Frontalangriff führt, wählen die Chicks on Speed den etwas gepflegteren Weg der distanziert ironischen Kritik: Ob Mode, Pop-Kapitalismus und Kultur-Bohéme-Langeweile: Chicks on Speed durchleuchten mit ihren Songs die gesamte Metropolen-Erlebniswelt. Verpackt ist 99 Cent (Labels) in freundlichen Elektro-Pop, der meist zuckersüß dahingleitet, aber auch mal garstig kratzt. So verwundert es nicht, wenn bei dem Selbstverortungs-Manifest We don´t play guitars Peaches als Gastsängerin zu Ehren kommt. Einträchtig vertragen sich Guerilla-Glamour-Girls und Punk-Attitüde im Kampf für eine bessere Welt. Und damit die Welt nicht nur besser, sondern auch noch schöner wird, entwerfen die drei Frauen von Chicks on Speed Klamotten und toben sich als Grafikerinnen aus.

Die auf Vor Kurven wird gewarnt (BearRecords) versammelten Sängerinnen werden nicht wirklich als Vorläufermodelle der beiden Bands bezeichnet, aber irgendwie sind sie es doch: Als die Prüderie in Deutschland sich Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre zu überschlagen drohte, griffen Sängerinnen mit Sex-Appeal die bürgerliche Ordnung mit einem unschuldig-frivolen Augenaufschlag an. Natürlich hielten sie sich dabei streng an die weiblichen Rollenklischees, trieben es aber so weit auf die Spitze, daß sie als „Sexbomben" zur Gefahr für Anstand und Sitte wurden. Obwohl das im nachhinein vergleichsweise harmlos wirkt, bescherten sie übereifrigen Richtern und Staatsanwälten Schaum vor dem Mund, Schallplatten wurden konfisziert und Sendeverbote ausgesprochen. Dabei sind die meist schwülen Schlager eher hart an der Peinlichkeitsgrenze – an der leider auch das mißlungene Layout der CD und das an sich informative Booklet entlangschrammen. Aber allein die Chansons von Ingrid van Bergen und die radebrechenden Deutsch-Schnulzen von Jane Mansfield machen diese Zusammenstellung hörenswert.

Marcus Peter

 
 
 
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