Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kunst in der DDR ­ ohne DDR

Der mißlungene Versuch in der Neuen Nationalgalerie

Viel Werbung wurde gemacht für diese Ausstellung und hoch gelobt wurde sie auch von der Presse. Nachdem ich in der Ausstellung war, fragte ich mich ernsthaft: Wieso? Etwa, weil es jemand gewagt hat, an dieses „schwierige" Thema heranzugehen und selbst der Versuch allein schon Respekt verdient? Ja, es ist wieder einer dieser unzähligen Versuche, die Kunst in der DDR optimal und allumfassend zu präsentieren, und er ist wieder einmal fehlgeschlagen. Entweder ist es zuviel des Guten oder zu wenig.

Die zwei Herren Kuratoren Eugen Blume und Ronald März plaudern beschwingt in einem Interview der zitty vom Juli diesen Jahres über die Ausstellung, ohne zu merken, daß ihre Antworten an Arroganz und Dreistigkeit kaum noch zu übertreffen sind. Mit der Ausstellung versuchen sie, „einen freien Blick auf die Kunst" zu geben, „die ja aus der Geschichte austreten muß, um als Kunst zu bestehen." Muß Kunst wirklich aus dem Geschichtsverlauf austreten? Ist sie nicht vielmehr ein Teil dessen und vor allem Reaktion auf die Zeit? Ist die bildende Kunst nicht ­ wie auch Literatur ­ oft ein Medium, um bestehende Mißstände anzuprangern und versteckt oder offensiv Kritik zu üben?

Blume und März haben ihre ganz eigene Zensur: Sie unterscheiden nämlich zwischen „Kunst in der DDR" und „DDR-Kunst". Ein schönes Wortspiel. Die DDR-Kunst, also meist die Auftragskunst, die nicht immer etwas mit Propaganda zu tun hatte und in vielen Fällen ebenso sehenswert ist, bezeichnen sie als sozialistischen Kitsch und künstlerisch wertlose Propaganda. Sie wird somit verteufelt und aus der Ausstellung ausgeschlossen, da sie „nur ausstellen, was wirklich als Kunst gelten darf". Damit werden auch die Bilder überzeugter Kommunisten ausgeschlossen, die in den Werken ihren Vorstellungen und Hoffnungen Ausdruck verliehen haben.

So wie Kunst nicht getrennt von der Geschichte betrachtet werden kann, kann sie auch nicht von der Politik getrennt werden ­ vor allem in der DDR nicht. Es sei denn, man hat den Anspruch, der Welt einen einseitigen Blick auf die Kunst in der DDR zu gewähren. Somit ist die im Informationsheft der Ausstellung gepriesene „ausgestellte Vielfalt" nicht gegeben. Allenfalls von der Masse der Bilder wird der Besucher erschlagen und darf sich obendrein mit völlig verschachtelten Sätzen herumplagen, die als „erklärende" Informationen an die Wände projiziert werden und einem die Lust am Lesen verderben.

Es ist ein frommer Wunsch und eine blumige Vorstellung, zeigen zu wollen, daß Kunst auch einfach nur Kunst sein kann, ohne staatsbezogene Malerei zu sein. Es ist ein grober Verstoß gegen die Geschichte und eine Irreführung des Besuchers. Der Maler hat in Zukunft nur noch zwei Farben, in denen er malen kann: Entweder schwarz oder weiß.

Mandy Fox

> Die Ausstellung „Kunst in der DDR" ist noch bis zum 16. Oktober in der Neuen Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, Tiergarten, zu sehen. Geöffnet Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 22 Uhr.

 
 
 
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