Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurzkultur

schauspiel

Kriegsende 1918. Don Juan kommt traumatisiert aus dem Schützengraben zurück, vom Krieg geläutert will er jetzt endlich sein „Ideal" finden: die feste Beziehung zu einer Frau, die er einst heiraten wollte, dann aber sitzenließ. Auf seiner Suche trifft er auf verschiedene Frauen, die ebenfalls Zuneigung suchen, und fällt in alte Verhaltensweisen zurück. In einer Zeit der Inflation, Entwertung und Zerstörung entstehen Enttäuschung, Angst und Haß. Zunehmend an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wird Don Juan schließlich zum zynischen Opfer seiner eigenen Wirkung.

> „Don Juan kommt aus dem Krieg", ein Theaterstück nach Ödön von Horváth, am 9. und 10. Oktober um 20 Uhr in der Werkstatt der Kulturen, Wissmanstr. 32, Neukölln

zusammenspiel

Nikolaus Harnoncourt zählt sicherlich zu den interessantesten und einflußreichsten Dirigenten der Gegenwart. Nachdem er die historische Aufführungspraxis von Monteverdi bis Mendelssohn revolutioniert hatte, ist er mittlerweile längst bis ins 20. Jahrhundert vorgestoßen, setzt auch Bruckner oder Webern auf seine Programme. Einblick in seine Werkstatt kann man nun anhand von Haydns 82. Symphonie, die den Beinamen „L'Ours" trägt, nehmen. Harnoncort erarbeitet das Werk mit Studenten der Hanns-Eisler-Hochschule, und der Eintritt ist sogar frei.

> Orchesterwerkstatt Nikolaus Harnoncourt, am 20. Oktober um 18 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie, Herbert-von Karajan-Str. 1, Tiergarten

falsches spiel

Unter der Überschrift „Schwarzfahrer aufgepaßt ­ Schluß mit überteuerten BVG-Preisen" sollte am 18. September in der Kopierbar eine Aktionsreihe starten, die mit „satirischen Sprüchen" die „BVG-Methoden der Fahrscheinkontrolle" ins Visier nehmen wollte. Zusätzlich sollte noch eine Band spielen. „Fahrpreis" des Abends: schlanke sieben Euro. Das Ganze stellte sich jedoch als PR-Gag der Bandmanagerin heraus. Die Performance fand schlicht nicht statt, weil der „Laden ja schon voll" sei. Die Musik: eine Art Post-DDR Schmock-Rock mit fataler Tendenz zum Grönemeyern. Wer also die späten Puhdys schätzt, sollte alle 14 Tage donnerstags mal am Rosenthaler Platz vorbeischauen, alle anderen: „Zurückbleiben, bitte!"

> Kopierbar, Rosenthaler Str. 14, Mitte

gruppenspiel

READY NOW ist der Titel eines Kunstprojektes der Schweizerin Barbara Caveng. Entstehen soll ein elf Quadratmeter großer Teppich, der in seiner formalen Aufteilung einem arabischen Gebetsteppich gleicht. Bisher haben über 100 Personen aus 35 Nationen an dem Teppich geknüpft, bis November soll er mit rund 500 Personen vollendet werden. Das Projekt stellt die Frage nach der Kultur des Einzelnen im Gegensatz zu stereotypen Darstellungen und Denkmustern. Mitwirkende werden einzeln oder in kleinen Gruppen eingeladen, für ein paar Stunden mitzuknüpfen ­ die Technik ist einfach erlernbar. Beim Knüpfen werden ausschnittshaft Teile der Lebensgeschichte der Mitwirkenden akustisch aufgezeichnet und später den betreffenden Stellen im Teppich zugeordnet. Der fertige Teppich wird im Januar 2004 samt abrufbarem Tonarchiv in der DNA Galerie Berlin gezeigt.

> Infos und Bewerbung unter www.READY-NOW.net, info@READY-NOW.net oder fon 4497491

computerspiel

Neues Label (P-Pack), neue Band (Tolcha), erste Veröffentlichung (Streetwise) ­ bei einem Auftritt im Bastard ist all das zu bewundern. Gegeben wird eine Crossover-Mischung unter dem Deckmantel von Elektro-Dub. Allerdings stehen Tolcha dabei nicht gelangweilt hinterm Laptop, sondern fusionieren Elektronik mit Live-Instrumentalisierung von Schlagzeug und Baß.

> Tolcha am 9. Oktober um 22 Uhr im Bastard im Prater, Kastanienallee 7-9, Prenzlauer Berg

liebesspiel

Das diesjährige Lesben Film Festival im Kino Arsenal versammelt ca. 80 Lang- und Kurzfilme verschiedener Genres aus 20 Ländern, darunter Japan, Korea und Sri Lanka. Der Eröffnungsfilm The Politics of Fur ist allerdings wieder mal aus den USA. Er verknüpft mit Hilfe einer eigenen Ästhetik Sacher-Masochs Venus im Pelz und Fassbinders Die bitteren Tränen der Petra von Kant. Die Filmemacherin wird zur Vorführung am 7. Oktober um 18 Uhr anwesend sein.

> 19. Lesben Film Festival, vom 7. bis 12. Oktober im Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, Tiergarten. Kartenverkauf jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Festival-Party am Samstag, dem 11. Oktober ab 22 Uhr im SO 36, Oranienstr. 190, Kreuzberg. Verleihung des Kurzfilmpreises am 12. Oktober um 22 Uhr im Arsenal. Programm und Infos unter www.lesbenfilmfestival.de

hörspiel

Die 17. Woche des Hörspiels, die vom 9. bis zum 14. November in der Akademie der Künste stattfindet, bietet Liebhabern dieses Genres die Möglichkeit, mit den Autoren über ihre Stücke zu diskutieren. Darüber hinaus können fünf Hörspiel-Begeisterte Mitglied der Publikums-Jury werden, die am 14. November den Hörerpreis der Akademie verleiht. Die einzigen Voraussetzungen für die Teilnahme sind Interesse am Thema Hörspiel und genügend Zeit, denn die Jurymitglieder müssen an allen fünf Abenden den insgesamt zehn Produktionen von ARD-Anstalten und Deutschlandradio aufmerksam zuhören.

> Bewerbungen sind bis zum 1. November möglich. Entweder per Postkarte an: Akademie der Künste, Abt. Film und Medienkunst, Stichwort Publikumsjury, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin; oder per e-post an: lehnert@adk.de

glücksspiel

Und wieder ein neuer schaurig-schöner, historisch kontaminierter Ort in der Berliner Mitte: Die gewaltige, mehrstöckige Bunkeranlage unter dem Alexanderplatz soll nun auch von Künstlern bespielt werden ­ mit Arbeiten ausgerechnet zum Thema Paradies. Geld scheint einiges zusammengekommen zu sein, u.a. unter dem Label „deutsch-russische Kulturbegegnungen", und so bespielt eine internationale Künstlerschar nicht weniger als 50 Räume unter dem Alexanderplatz. Besonderen Wert wird auf Interaktion mit dem Publikum gelegt. So wird eine „deutsch-russische Knutsch-Performance" stattfinden, für die noch Paare und Singles gesucht werden. Außerdem werden Besucher von einer Armenierin mit Buddhismus konfrontiert, und es darf um den Eintritt gewürfelt werden. Aber die Räume sind bestimmt sehenswert.

> Das „Paradiesprojekt" ist bis zum 2. November jeweils Do bis So von 14 bis 20 Uhr unter dem Alexanderplatz zu sehen, Eingang in der Fußgängerunterführung (Hinweisschilder beachten), www.paradiesprojekt.de

 
 
 
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