Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Aus eins mach drei

Die Türen aller Büros sind offen, so daß das Tageslicht auch noch den großen Konferenzraum ohne Fenster erreichen kann. Betriebsam ist es hier, aber noch ohne Hektik. In ein paar Wochen wird das anders sein, kurz bevor die neue Spielzeit des neuen „Hebbel am Ufer" eröffnet wird, einer Fusion aus Theater am Halleschen Ufer, dem Hebbeltheater und dem Theater am Ufer, allesamt in Kreuzberg und in unmittelbarer Nähe zueinander. Alle drei hatten über Besucherschwund zu klagen, alle drei hatten keinen künstlerischen Leiter mehr. Wer hinter diesem Zusammenschluß also nur eine Sparmaßnahme des Senats vermutet, liegt nicht ganz richtig. Ein neues Konzept wäre ohnehin nötig gewesen. Die Leitung der drei Häuser in eine Hand zu geben, war da nur folgerichtig (und auch sparsamer). Den Zuschlag bekam Matthias Lilienthal, ein Wunschkanditat der ehemaligen Hebbeltheater-Leiterin Nele Hertling.

Lilienthal ist in Berlin hinlänglich durch seine langjährige Dramaturgentätigkeit an Castorfs Volksbühne bekannt. Bis Ende letzten Jahres organisierte er im Ruhrgebiet das Festival Theater der Welt. Nun hat er sich also den Brocken Hebbel am Ufer aufladen lassen. Aber wer läßt es sich schon entgehen, einen erneuten Versuch machen zu können, die Berliner Theaterlandschaft ein wenig aufzumischen? Wie damals, Anfang der neunziger Jahre am Rosa-Luxemburg-Platz? Warum also die „Revolution" nicht von Kreuzberg aus starten?

Zur neuen Imageprägung gibt es deutlich sprechende Plakate: Junge Menschen mit einem Veilchen schauen einen herausfordernd an. Darüber steht in Großbuchstaben HAU 1, 2 oder 3. Womit nicht die Zahl der Treffer gemeint ist, die Kreuzberger Boxer einstecken mußten. HAU steht für Hebbel am Ufer. Ein guter Hingucker.

Und Hingucken sollen die Zuschauer ­ und natürlich hinhören. Denn weiterhin soll das Programm für den Kopf sein. Man soll sich im Theater anstrengen, wozu auch mal das Lesen von Obertiteln bei Gastspielen gehört. Es bleibt bei der Mischung aus Off-Theater, Gastspielen und Tanz. Der muß aber nun nicht zwingend im Hebbeltheater stattfinden, wenn das Haus zu groß für eine Produktion ist. Durch die Zusammenlegung kann variabler disponiert werden. Außerdem hofft man auf eine stärkere Durchmischung des Stammpublikums der Häuser: Die Tanztheaterfreunde des Hebbeltheaters könnten sich vielleicht auch mal das Gastspiel einer internationalen freien Theatergruppe anschauen und umgekehrt. Zu teuer wird es auch nicht: Lilienthal hat persönlich beim Senat ein moderates Preisgefüge durchgedrückt.

Wie sich das neue Hebbel am Ufer nun präsentiert, wird man beim Eröffnungsfestival „Kunst und Verbrechen ­ Art without Crime" Ende Oktober sehen. Künstler aus Rußland, Deutschland und den USA werden sich mit der Frage beschäftigen, wie weit Kunst gehen darf und muß und warum sie aus den unterschiedlichsten Gründen inkriminiert oder zensiert wird. Danach schließen sich mehrere internationale Gastspiele an. Im November wird außerdem das „No Name Festival" zelebriert ­ hundert freie Theatergruppen in einer Woche! Die Autorin kann sich die Feststellung nicht verkneifen, daß sie gespannt darauf ist.

ib

> Hebbel am Ufer, Kunst und Verbrechen 31. Oktober bis 2. November, Kartentelefon 030/25900427, www.hebbel-am-ufer.de

 
 
 
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