Ausgabe 07 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

„Ich bin kein Handlanger der Polizei"

Wer war eigentlich Philipp Schaeffer? Diese Frage mag sich schon so mancher Besucher der Bezirkszentralbibliothek in der Brunnenstraße 181 gestellt haben. Als in diesen Räumen 1928 eine Volksbibliothek eröffnet wurde, fand der Orientalist und Sinologe Philipp Schaeffer dort eine Anstellung. 1932 wurde er wieder entlassen – wohl, weil er sich als Kopf der kommunistischen Volksbibliothekare hervorgetan hatte.

Im FrauenTreff Brunnhilde wird jetzt die Ausstellung Philipp Schaeffer 1894-1943. Orientalist, Bibliothekar, Widerstandskämpfer gezeigt, die Hans Coppi für die Bibliothek in der Brunnenstraße konzipiert hatte, wo sie bereits im Juni zu sehen war. Die kleine, instruktive Ausstellung, gestaltet von Karl-Heinz Lehmann im Auftrag der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, zeichnet auf Text- und Bildtafeln chronologisch das Leben dieses außergewöhnlichen Menschen nach.

Als Philipp Schaeffer 1924 nach Berlin geht, weil er hofft, eine Stelle als Konsulatsbeamter in China zu finden, schließlich als „geistiger Notstandsarbeiter" im Büchereidienst Mitte tätig wird, hat er bereits eine bewegte Biographie hinter sich. In Königsberg geboren, kommt er als Kleinkind nach Petersburg, beginnt dort sein Studium der Sinologie, wird aber nach dem Kriegsausbruch 1914 zusammen mit seinem Vater als „feindlicher Ausländer" in das Gouvernement Archangelsk verbannt. Erst 1920 kann er seine Studien in Heidelberg fortsetzen.

Im nationalsozialistischen Berlin wird Schaeffer, der schon zuvor zur KPD gefunden hat, zum Widerstandskämpfer. Er betreibt mit seinen Mitstreitern antifaschistische Propagandaarbeit unter SA-Männern und Studenten, wird 1935 verhaftet und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung steht er unter Polizeiaufsicht und verunglückt 1942 schwer, als er in einer abenteuerlichen Aktion versucht, ein jüdisches Ehepaar zu retten: Der Musikwissenschaftler Richard Hohenemser und seine Frau wollen sich mit Gas umbringen, der Hauswart verhindert, daß die Tür aufgebrochen wird; Philipp Schaeffer seilt sich vom Dach des Hauses ab, um durch das Fenster in die Wohnung einzudringen und stürzt ab. Als er im Oktober 1942 verhaftet wird, ist er aufgrund seiner Verletzungen schwer gehbehindert.

Vom Reichskriegsgericht wird Philipp Schaeffer wegen Hochverrats angeklagt – weil er seine Mitkämpfer im Widerstand nicht angezeigt hat. Von der Verhandlung sind seine Worte „Ich bin kein Handlanger der Polizei" überliefert. Philipp Schaeffer wird ihm Mai 1943 hingerichtet, ohne sein Lebenswerk, ein chinesisches Wörterbuch vollendet zu haben.

Der unangepaßte Wissenschaftler, der die direkte politische Aktion nicht scheute und an den die Bibliothek in der Brunnenstraße erinnert, schrieb im Abschiedsbrief an seine Frau: „Nur ein leeres und fettes Leben ist gefährlich."

hb

> Die Ausstellung „Philipp Schaeffer 1894-1943. Orientalist, Bibliothekar, Widerstandskämpfer" ist noch bis zum 3. Oktober im FrauenTreff Brunnhilde in der Rheinsberger Str. 61, Mitte, zu sehen.

 
 
 
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