Ausgabe 07 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

La Grande Nation du Teknival

Terrorgesetze gegen Raver in Frankreich

Am 18. Juli kam es in Faouet, einem Idyll in der französischen Bretagne, zu einer bürgerkriegsartigen Auseinandersetzung zwischen den Besuchern eines illegalisierten „Teknivals" und lokalen „Sicherheitskräften". Angesichts dieses wohl blutigsten Raves der Geschichte organisierte die Fuckparade am 1. August eine Kundgebung auf dem Pariser Platz, in Sichtweite der französischen Botschaft. Zeitgleich gab es in Frankfurt am Main eine Kundgebung vor dem französischem Konsulat.

scheinschlag dokumentiert die in Berlin gehaltenen Reden in Auszügen.

Elisa & Alex, cyborgs, Berlin:

Bereits bei der Anreise der Leute setzte die örtliche Polizei alles daran, die friedliche Veranstaltung zu verhindern. Grundlage für den Einsatz ist ein französisches Anti-Rave-Gesetz, das besagt, daß Veranstaltungen mit über 250 Teilnehmern durch Polizeigewalt aufgelöst und die Musikanlagen beschlagnahmt werden können. Im Rahmen der Anti-Terror-Gesetze nach dem 11.September 2001 wurde es nochmals verschärft: Jetzt müssen auch Parties, die auf Privatgrundstücken stattfinden, der Präfektur gemeldet und von ihr genehmigt werden. Andernfalls drohen Geld- und sogar Freiheitsstrafen.

Jean-Charles Kenavo, Terre a sons, France:

We were closed on the site with cops at the door. Since the beginning it was clear that putting cops in front of us will make a riot. I'm not a warrior and it was the first time that I've seen so much police-violence, I was very shocked by their noisy grenades.

Moog_t, Fuckparade, Berlin:

1000 schwerbewaffnete, gewaltbereite Polizisten gegen 10000 unbewaffnete, tanzbereite Raver? Mußte das sein, Frau Präfektin Allaire?

28 Verletzte, gebrochene Rippen, eine abgerissene Hand, sechs Stunden Straßenschlacht, ,Kollateralschäden' in noch nicht einschätzbarer Höhe? Mußte das sein, Frau Präfektin Allaire?

w.lms, radiokampagne.de, Berlin:

Die Liberation berichtet von einem Anwohner, der am Tag danach zynischerweise auf eine Tafel geschrieben hat: MERCI MME LA PREFETE. Danke Frau Präfektin, Merci Mme la Pre-Fete.

Er hätte beruhigt schreiben dürfen: MERCI MME LA CONTRE-FETE. Danke für das Blut, das Tränengas, die abgerissene Hand. Danke für diesen schönen Morgen in diesem schönen Land.

Mathias Hofmann, Berlin:

Nun hat die Staatsgewalt in Frankreich einmal mehr gezeigt, was sie schon seit Jahren gelernt hat. So veranschaulichten die schwarzen Brigaden der französischen Bereitschaftspolizei CRS bereits 1977, wie weit mensch beim Durchsetzen von Investitionsplänen zu gehen bereit war. Damals in Malville bei einer friedlichen Anti-Atomkraft-Demo steckten die Beamten Offensivgranaten statt Tränengas in die Gewehrläufe. Abgerissene Hände und Unterschenkel von Demonstrierenden waren die Folge. Vital Michalon wurde von einer Granate getötet.

Dr. Motte, Loveparade, Berlin:

Leider ist das nicht nur in Frankreich so. In England gibt es immer noch das Criminal Justice Bill, das es der Polizei ermöglicht, sich wiederholende Beats zu verbieten. In den USA, gibt es eine Gesetzesinitiative, mit der Absicht, Clubbesitzer und Partyveranstalter dafür verantwortlich zu machen, wenn ihre Besucher Drogen nehmen. Darauf sollen dann mindestens 10 Jahre Gefängnis für die Veranstalter stehen.

In Deutschland werden vor und nach Technoparties sog. Verkehrsicherheitskontrollen durchgeführt. Es wird nach Drogen gesucht. Junge Menschen werden auf der Stelle verhaftet. Wer hat da Angst vor wem? Und wieso?

Hans Cousto, Eve & Rave e.V., Berlin:

Techno ist eine weltumspannende Kultur. Ausdrucksmittel von Techno ist Musik. Technomusik kennt keine Sprachgrenzen. Technomusik ist multikulturell. Deshalb ist Techno ein geeignetes Instrumentarium, um Völkerfreundschaften zu fördern.

Wenn eine Regierung, egal ob in Deutschland oder Frankreich oder anderswo, den Krieg gegen die eigene Jugend erklärt und führt, so wie in der Bretagne unlängst geschehen, dann ist nicht nur der innere Frieden in den einzelnen Ländern gefährdet, sondern auch die Völkerfreundschaft.

 
 
 
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