Ausgabe 07 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Pleitenplanung

Streit um Anschlußförderung im Sozialen Wohnungsbau

Eigentlich war alles schon entschieden: Die sogenannte Anschlußförderung im Sozialen Wohnungsbau wird abgeschafft (s. scheinschlag 2/03). Anfang des Jahres hatte der Senat beschlossen, die Zuschüsse für die Wohnungen, die zwischen 1986 und 1997 mit öffentlicher Förderung errichtet wurden, ersatzlos zu streichen – unter Protesten der Eigentümer, die sich vor der Pleite fürchteten, und dem Murren der Mietervereine, die sich um die betroffenen Mieter sorgten. Fast alle anderen waren begeistert, denn der Berliner Soziale Wohnungsbau galt als himmelschreiend übersubventioniert.

Nun ist die beschlossene Streichung doch noch in die Diskussion geraten und schlägt hohe Wellen in der Regierungskoalition. Nachdem die betroffenen Eigentümer eine Flut von Klagen angekündigt hatten, geben die Gerichte ihnen erste Rückendeckung. In sieben Fällen (Stand: Mitte August) bestätigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) durch eine einstweilige Anordnung, daß der Senat bis zur letztinstanzlichen Klärung des Rechtsstreits die Fördermittel weiterzahlen muß, um eine Insolvenz der Antragsteller abzuwenden. Lediglich in einem Fall erachtete das OVG die Kapitaldecke des Klägers für ausreichend und wies dessen Klage ab.

Die Begründung der Urteile ist politisch brisant. Das OVG geht davon aus, daß die Eigentümer durch die zum Baubeginn übliche Förderpraxis und entsprechende Ankündigungen von politischen Entscheidungsträgern darauf vertrauen konnten, daß sie nach dem Ende der 15-jährigen Basisförderung in den Genuß einer Anschlußförderung für weitere 15 Jahre kommen würden. Durch seinen abrupten Beschluß zur Einstellung der Förderung habe der Senat den sogenannten „Vertrauensschutz" grob verletzt; in den laufenden Hauptsacheverfahren sei darum ein Erfolg der Kläger wahrscheinlich.

Im Senat entbrannte daraufhin ein heftiger Streit über die weitere Vorgehensweise. Während Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) darauf drängen, den eingeschlagenen Weg unbeirrt fortzusetzen und notfalls bis zum Bundesverwaltungsgericht zu klagen, befürworten Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und die CDU-Fraktion Verhandlungen mit den Eigentümern über einen sukzessiven und einvernehmlichen Abbau der Förderung.

Das würde aber die Haushaltsplanung des Finanzsenators durchkreuzen, der seinerseits bekanntlich eine Pleite abwenden muß. Sarrazin hofft, durch den sofortigen Wegfall der Förderung für die betroffenen ca. 25000 Wohnungen zukünftig insgesamt 2 Milliarden Euro einzusparen. Nach seiner Auffassung können die Eigentümer der Neubauten, in vielen Fällen überschuldete Fonds, die wegfallende Förderung durch Mieterhöhungen und Neuverhandlungen ihrer Darlehenskonditionen mit den jeweiligen Banken kompensieren und somit eine Insolvenz abwenden.

Für die Mieter bedeutete dies drastische Mieterhöhungen um bis zu 70 Prozent, weshalb einige von ihnen bereits ausgezogen sind. Zwar hat der Senat finanzielle Hilfen für betroffene Haushalte vorgesehen, doch die reichen in der Regel nicht aus. Und es mutet schon merkwürdig an, wenn Mieter ihre Wohnungen aufgrund von politischen Beschlüssen verlassen müssen, die später vor Gericht wieder gekippt werden. Die Sparpläne des Finanzsenators sind mittlerweile ohnehin obsolet: Die Eigentümer, die gerichtlich Erfolg hatten, müssen bis zu drei Jahre vom Senat weiterfinanziert werden – spätestens dann ist mit einem höchstinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu rechnen.

Thorsten Friedrich

 
 
 
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