Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Shakespeare und Kochbananen

Sommertheater in Mitte und Prenzlauer Berg

Jedes Jahr dasselbe: Endlich Ferien, Zeit und Muße, sich „kulturell" zu betätigen – wenn nicht die anderen auch Ferien machen wollten. Künstler sind auch nur Menschen, und so ist im Sommer die Chance, einen Staatsschauspieler am Urlaubsstrand zu treffen, größer, als den Künstler auf der Bühne erleben zu können. Aber nicht alle Mimen verlassen die Stadt, vor allem nicht die Enthuasiasten der kleinen Bühnen, die in jedem Jahr die Gunst des Sommers nutzen, um uns mit ihrer Kunst zu erfreuen. Und am schönsten ist es im Sommer im Freien, wenn das Wetter mitspielt. Man kann nur das Beste hoffen und mit zahlreichem Erscheinen an den sommerlichen Open-Air-Spielorten sowohl Kulturbeflissenheit als auch Wetterfestigkeit demonstrieren.

Das tun schon seit Jahren die Freundes des Hexenkessel Hoftheaters, die in diesem Jahr besonders verwöhnt werden. Denn das Theater feiert sein zehnjähriges Jubiläum und beutet sich mit zwei Vorstellungen pro Abend so richtig selber aus, und das von Mitte Juli bis in den September hinein. Dieses Mal wird eine Art Best-Of-Programm geboten. Am frühen Abend, wenn es noch hell ist, findet man sich zu Shakespeares Wintermärchen ein. Bei einsetzender Dunkelheit wird es dann auf der Bühne auch düsterer, wenn Richard III. sein blutiges Unwesen treibt. Das alles wie immer gekonnt gespielt und inszeniert im Monbijoupark mit prima Museumsinselkulisse und Strandbar gleich nebenan.

Wer von Shakespeare dann immer noch nicht genug hat, kann sich bis Anfang August das Drama Titus Andronicus in der Franziskaner Klosterruine am Alexanderplatz ansehen. Was paßt besser zur morbiden Atmosphäre dieser Spielstätte als solch ein blutrünstiges Drama, mit dessen Inszenierung die BredemeyerCompany, schon das ehemalige Weißenseer Delphi-Kino wiederbelebt hat (s. scheinschlag 4/03). Auch hier kommt der Spaß nicht zu kurz, außerdem gilt es, einen Ort in der Stadt wiederzuentdecken, vielleicht im milden Licht von Fackeln.

Hoffentlich bei Tageslicht wird am Helmholtzplatz Kindertheater geboten. Im dortigen Platzhaus hat sich bis Mitte Juli ein Puppentheater für Kinder und Erwachsene eingenistet. Das „Helmi-Theater" hat nicht nur Klassiker wie Hänsel und Gretel oder Kalif Storch, sondern auch ein Stück mit dem rätselhaften Titel Anansy und die Kochbananen im Repertoire. Für die Großen gibt es am späten Abend Vincent van Gogh.

Für die regnerischen Abende oder auch für passionierte Drinnensitzer gibt es Alternativen. Dabei muß der geneigte Zuschauer seine Gehirnzellen schon mehr anstrengen, denn drinnen wird zeitgenössisches Theater gemacht. Das Theater H2O zeigt im Pfefferberg seine neue Inszenierung Krieger von Nicolai Borger. Es geht um das Mißverhältnis zwischen medial vermittelten Klischees und tatsächlich selbst Erlebtem und darum, sein Leben trotz Reizüberflutung und merkwürdiger, von außen geprägter Selbstbilder, doch noch in den Griff zu bekommen.

Das Orphtheater sorgt für noch mehr Futter, und zwar mit einer Uraufführung: Hyänenherz ­ Traum eines Kamikazefliegers ist die vierte Uraufführung eines „dramatischen Theatertextes" von Paul M. Waschkau, bei dem es um genau die titelgebenden Dinge geht: um einen hyänenartigen Killer, der sich in Film-Noir-Manier durch unsere Zeit bewegt. Interessant klingt das allemal. Premiere ist im August. So hat der Theaterbeflissene die Ferienzeit flugs herumgebracht. Die Staatsmimen dürften sich dann auch wieder eingefunden haben, die herbstliche Premierenschlacht kann beginnen. Und man wird sich dankbar an laue Sommerabende erinnern.

Ingrid Beerbaum

> Hexenkessel Hoftheater im Monbijoupark, Monbijoustraße 3, jeweils um 21.30 Uhr, ab dem 14. Juli um 19.30 und 21.30 Uhr, fon 24048650

> BredemeyerComany in der Franziskaner Klosterruine am Alexanderplatz, vom 18. Juli bis 3. August, tägl. außer Montag, jeweils um 21 Uhr. Tickets über Hekticket oder an der Abendkasse: fon 23099333

> Helmi Theater am Helmhotzplatz im Platzhaus (Raumerstraße), mindestens noch bis 13. Juli, Mi bis So um 15 oder 16 Uhr, fon 48625995

> Theater H2O im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, bis 26. Juli, Do bis So, jeweils um 20 Uhr, Sa auch um 22 Uhr, fon 44383489

> Hyänenherz, Orphtheater, Ackerstraße 169/170, ab 15. August, Do bis So jeweils um 21 Uhr, fon 4410009

 
 
 
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