Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Besonderes Flair

Die Sanierung der Kulturbrauerei geht in die nächste Runde

Am 18. Juni hatte die Senatsverwaltung für Kultur eine erstaunliche Mitteilung zu machen: „Die Sanierung der Kulturbrauerei beginnt". Das macht neugierig. Ist da nicht schon alles saniert? Können die denn nie mit der Saniererei aufhören? Der skeptische scheinschlag-Reporter zieht seine Protest-Klamotten an und begibt sich in das gediegene Ambiente des „Palais" zur Pressekonferenz. Geladen hat die Consense GmbH, der seit einem Jahr die Verwaltung und Vermarktung der ehemaligen Kunstbesetzerhäuser an der Schönhauser Allee obliegt. Nach all den Pleiten und Kriegen früherer Betreiber ist die GmbH bemüht, Finanzkraft und professionelle Seriosität zu demonstrieren: Am Einlaß umfangreiche Pressemappen mit CD, im großzügigen, rot-schwarz abgedimmten Saal sorgfältig arrangierte, weiß gedeckte Kaffeehaustische. Italienische Arien, begleitet vom Pianoforte und einer riesigen Fernsehkamera. Später, auf dem Podium, ertönt Vorstandsvorsitzenden-Rotwelsch: attraktive Nutzungsperspektive, innovativer Kulturstandort. Ab sofort gibt es die Kulturbrauerei auch im Internet. Die weiteren Ziele der GmbH: Konsolidierung der Finanzen, verstärkte Förderung der klassischen Hochkultur und eine bessere Zusammenarbeit der Mieter.

Anlaß der Veranstaltung sind 2,25 Mio. Euro, die die Deutsche Klassenlotterie der Kulturbrauerei vor zwei Jahren für eine „Verbesserung der Infrastruktur" zugesagt hat. Kultursenator Thomas Flierl ist es gelungen, die Mittel auf den neuen Betreiber zu übertragen. Da bei der vorangegangenen Sanierung nur Fassade und Dach instandgesetzt wurden, will man nun das Innere der sieben Gebäude herrichten, die der Senat gemietet und die GmbH unter Verwaltung hat. Bis Ende des Jahres werden Fluchtwege und Toiletten eingebaut. Lüftung und Schallschutz werden verbessert, neue Büros und Ateliers entstehen.

Keine Fragen? Dann bitte heraus zum Schnittchenessen in den Skulpturengarten. Die Pressesprecher sind zu Gesprächen gern bereit. Ein Herr vom Soda-Club findet es schön, daß das Kesselhaus kaum verändert wird. Der „industriell anmutende Charme", das „besondere Flair" bleiben erhalten, so steht es auch in der Pressemappe. Eine der anwesenden Damen findet sowas räudig. Der Herr erläutert: Schön, daß das Kesselhaus völlig umgebaut wird. Es wird nicht wiederzuerkennen sein.

Gespräch mit dem Architekten. Er hatte schon die erste Sanierung geplant. Jahrzehnte wird es dauern, schätzt er, bis die Mauern wieder nach Industrieruine aussehen. Aber Sanierung muß sein, schließlich sind die Ansprüche der Kulturschaffenden seit den Neunzigern gestiegen, und die ihrer Kundschaft sowieso. „Der ganze Ruinencharme ­ das kann man den Leuten nicht mehr zumuten." Der Geschäftsführer der GmbH lacht: „Aus dem Alter sind wir raus."

Der scheinschlag-Reporter ist jünger und bleibt skeptisch, woraufhin man ihn über Finanzierungskonzepte aufklärt: Die Aufwertung liegt im System, denn keine Bank gibt einen Kredit für ein paar Ruinen. Man muß doch wirtschaften. An das Schicksal des Tempodroms denkend, das seit seiner Aufwertung zwar nicht wirtschaftlich erfolgreich, dafür aber häßlich und überflüssig geworden ist, gibt der Reporter seinen Widerstand nicht auf. Also erläutert man ihm die bauphysikalischen Notwendigkeiten alter Gemäuer, die Auflagen der Bauaufsicht, die persönliche Haftung der Betreiber, wenn mal was passiert. Man versichert ihm, daß die Eintrittspreise der Veranstaltungen moderat bleiben werden, die Ateliermieten auf keinen Fall steigen und insbesondere osteuropäische Künstler unterstützt werden, die sonst auf dem Ateliermarkt keine Chance haben. Ein Baudenkmal retten, günstige Konzerte und Ausstellungen organisieren und halbwegs mittellosen Kulturschaffenden einen würdigen Arbeitsplatz verschaffen. Stabilisierte Finanzsituation, problemlose Mieter, zwei Millionen aus dem Lotto-Topf. Das sind doch schöne Nachrichten, legt man dem Reporter nahe.

Auch warnt man ihn vor Dummheiten. „Ich sehe schon die Schlagzeile: Die Kulturbrauerei ist nicht mehr, was sie war", sagt einer und macht deutlich, was er von solchen Schlagzeilen hält. Na gut. Dann eben nicht.

Johannes Touché

> Das Sommerprogramm der Kulturbrauerei findet man unter www.kulturbrauerei.de

 
 
 
Ausgabe 06 - 2003 © scheinschlag 2003