Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Privateigentum des Bundes

Die Wagenburg Platz B – gleichermassen ein Wohn- als auch ein Kulturprojekt – sucht noch immer nach einem Standort. Am 21. Juni besetzte Platz B ein ungenutztes Gelände auf dem ehemaligen Mauerstreifen am Alfred-Döblin-Platz in Mitte. Dank der Einbeziehung und Unterstützung von Kirchenvertretern und Politikern – unter ihnen der Grüne Christian Ströbele, der in Kreuzberg-Friedrichshain direkt in den Bundestag gewählt wurde – sah die Situation zunächst vielversprechend aus. Die Polizei versprach eine Duldung über das Wochenende, bis am Montag Verhandlungen mit der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) beginnen sollten.

Den neuen Nachbarn bot Platz B am Montagabend ein Kindertheater und gemeinsames Abendessen an. Aber die OFD signalisierte keinerlei Verhandlungsbereitschaft. Noch bevor Platz B und seine Unterstützer Gespräche beginnen konnten, ließ man die Wagenburg räumen. Als Begründung berief sich der zuständige Sachbearbeiter auf eine nicht weiter erläuterte Linie des Bundesfinanzministers sowie darauf, daß es sich bei dem Gelände um „Privateigentum des Bundes" (sic!) handele.

Der Pastoralreferent der benachbarten St. Michael-Kirche, Hans-Joachim Ditz, kündigte einen Protestbrief an: „Menschen können sich doch nicht in Luft auflösen." Er beruft sich auf die katholische Soziallehre und den Verfassungsgrundsatz, daß Eigentum verpflichtet. Demnach ist es unerträglich, daß Grundstücke jahrelang brachliegen, während Menschen ohne Obdach die Nutzung verwehrt wird.

Für Platz B war dies bereits die vierte Besetzung seit ihrer Räumung von der Michaelkirchstraße. Dabei gibt es selbst im Innenstadtbereich eine Vielzahl von ungenutzten Freiflächen. Aber neben politischen Widerständen steht einem Erfolg auch die unklare Rechtslage im Weg. Die Raumnutzungsverordnung (RNV), die die wechselseitige Verträglichkeit von Nutzungen klärt, kennt keine Lebensform in Wagenburgen.

Die RNV sowie die Landesbauordnung werden im Oktober novelliert. Christian Ströbele erklärte, er werde sich dafür einsetzen, alternative Lebensformen in eine Rechtsform zu bringen. Allerdings dürfte die Klärung der Rechtslage von Wagenburglern auf Bundesebene Monate bis Jahre dauern. Kurzfristig braucht Platz B ein Gelände.

Sonja John

 
 
 
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