Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kunst braucht keine Sanierung

Neue Ausstellungsräume im Pfefferberg

„Im Jahr 2003 wird der Ausbau des Pfefferbergs zu einem Zentrum für Kunst und Kultur beendet sein", so verspricht es zumindest die wohl nicht mehr ganz so aktuelle Internetseite des ehemaligen Brauereigeländes. Daß sich an diesem Ort bereits ein solches Zentrum befindet, war damit sicherlich nicht gemeint. Denn von den Sanierungsmaßnahmen, die damit einhergehen sollten, ist nichts zu sehen – statt Hotel mit Tiefgarage finden sich hier nur heruntergekommene Gebäudeteile. Ein idealer Ort also für Galerien, die mit Kunst die Mieten für einen sanierten Altbaukomplex kaum bezahlen könnten.

Und so entdecken immer mehr Kunstmacher den Pfefferberg für ihre Ausstellungen. Unter dem Titel Flügge 03 zeigten die Absolventen des Studiengangs Industrial Design der UdK im Haus 2 ihre Abschlußarbeiten während des „Designmai". Und im Haus 4 eröffnete die Galerie Engler & Piper einen neuen Ausstellungsraum. „Unsere eigenen Räume in der Kastanienallee reichten nicht aus für den Wandfries von Samuel Wiesemann", erklärt Andreas Engler. So machte man sich auf die Suche nach größeren Räumlichkeiten, und sobald diese gefunden waren, beschloß man, sie auch weiterhin zu nutzen.

Samuel Wiesemanns Wandfries besteht aus acht großformatigen Gemälden und trägt den Titel „happy worker – funny girl". Als Vorlagen benutzte er private Fotografien von Freunden und Bekannten, die er stark überzeichnet ins Malerische übersetzte und somit umdeutete. Das Ergebnis sind Darstellungen alltäglicher Begebenheiten, die nicht mehr an die tatsächlich dargestellten Personen geknüpft sind, sondern allgemein Menschentypen zeigen: junge Eltern, Menschen bei der Arbeit und während typischer Momente in Küche oder Bad. Die Arbeiten orientieren sich stark an traditionellen Mustern und sind mit angemischter Eitempera auf Leinwand gemalt.

Haus 4 ist ein ehemaliger Pferdestall, der für die Ausstellung hergerichtet wurde und in dessen Mitte der Wandfries hängt. Zur Eröffnung erschienen die leicht nervösen Galeristen in Anzügen und spendierten Absinth, während der Künstler selbst kochte: Es gab leckeres Gulasch, und Wiesemann las zum Verzehr Gedichte. Die Resonanz war relativ groß, so daß sich auch die Bar lohnte, die zusätzlich Wein und Bier anbot. Neben der ausgestellten Kunst stimmte also auch das Ambiente. Berlin kann sich freuen, daß es solche Orte noch gibt.

Die Galeristen wollen diese Möglichkeit deshalb weiterhin neben ihren Stammräumen nutzen und auch künftig Ausstellungen organisieren. Somit ist im Juni in der Galerie Die Welt in Stücken zu sehen, Keramiken von Frank Sanderink, während das Haus 4 unter dem Namen „Projekte" weiterläuft und ab dem 6. Juni die nächste dreiwöchige Ausstellung, Viel Grün um Nichts, zeigt, bei der elf internationale Künstler sich mit der Wahrnehmung von Natur auseinandersetzen.

Zunächst können die Räume noch bis August gemietet werden, dann droht das vorzeitige Aus für die neue Galerie, denn der Vermieter möchte mit den ersten vorläufigen Sanierungsarbeiten beginnen. Das hätte zur Folge, daß die Mieten nicht mehr bezahlbar wären. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der dem Kiez eine eigene Kunsthalle, ein Forum für junge Künstler bieten möchte", erklärt Edmund Piper, „die Sanierung würde einzig und allein den höheren Mieteinnahmen dienen."

Crisse Küttler

 
 
 
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