Ausgabe 04 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Staatsopernsanierung mit Steuertricks?

Dubiose Geldtransaktionen sollen den Kulturetat entlasten

Bei den österlichen Festtagen zeigte sich die Staatsoper Unter den Linden wieder in festlichem Glanz. Trotz extrahoher Kartenpreise dirigierte Maestro Barenboim La Traviata vor ausverkauftem Haus. Das preußisch-klassizistische Opernhaus ist beliebt bei zahlungskräftigen Kulturtouristen. Doch hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich eine Bühnentechnik, die so marode ist, daß Intendant Peter Mussbach bereits im letzten Jahr die Umarbeitung einiger Inszenierungen ankündigen mußte, um Bühnenarbeiter und Sänger nicht in Lebensgefahr zu bringen. Eine Schließung des Hauses aus Sicherheitsgründen ist jederzeit denkbar. Die Notwendigkeit der Sanierung steht nicht in Frage, das Geld ist freilich nicht aufzubringen.

Deshalb erwägt der Senat, auch im Sanierungsfall Staatsoper auf ein Mittel zurück zu greifen, das in anderen Kommunen schon für viel Aufsehen sorgte – das sogenannte „Cross-Border-Leasing". Die Grundlage dieses Verfahrens bilden Steuervergünstigungen in den USA, welche amerikanischen Investmentfonds erhebliche Abschreibungsmöglichkeiten für Auslandsinvestitionen eröffnen. Etwas vereinfacht läßt sich das Modell so beschreiben: Ein US-Investmentfonds least für 99 Jahre Teile der kommunalen Infrastruktur. Gleichzeitig wird vertraglich geregelt, daß die Kommune die öffentlichen Anlagen für 22 bis 30 Jahre zurückmietet und anschließend den Leasing-Vertrag durch Ausübung einer Rückkaufoption wieder auflöst. Der finanziell positive Effekt für die Kommune besteht darin, daß der US-Investor mehr überweist, als die Kommune für Miete und Rückkaufoption aufwenden muß. Auf diese Weise läßt der Investor die Kommune an seinen Gewinnen teilhaben, die er durch die Steuerabschreibungen in den USA erzielt hat. Dieser sogenannte Barwertvorteil, der etwa drei bis sechs Prozent der Gesamtinvestition ausmacht, wird sofort an die Kommune ausgeschüttet.

In den letzten Jahren wurden bundesweit Leasingprojekte mit einem Volumen von schätzungsweise 40 bis 50 Mrd. Euro realisiert. Düsseldorf z.B. verleaste seine Abwasserkanäle für 1 Mrd. Dollar. In Berlin erlebte das Verfahren im Jahr 2000 seine Premiere, als der Senat bei den neuen Messehallen 34 Mio. Euro Barwertvorteil einstrich. Die 125 Mio. Euro, die für die Sanierung der Staatsoper notwendig sind, sollen nun durch das Verleasen von Landesimmobilien im Wert von 2,7 Mrd. Euro eingespielt werden.

Doch das Verfahren ist heftig umstritten. Kernpunkt der Kritik sind die nach amerikanischem Recht verfaßten Leasing-Verträge, die den Investment-Fonds zum wirtschaftlichen Eigentümer der Infrastruktur machen. Die öffentliche Hand wird zum Mieter, der die im Vertrag aufgeführten Verpflichtungen erfüllen muß. Verstößt die Kommune gegen vertragliche Regelungen, kann der Vertrag aufgelöst werden, was Schadenersatzforderungen oder gar den Verlust des verleasten Objekts zur Folge haben kann. Auch sind derartige Leasing-Praktiken in den USA selbst umstritten. Eine rückwirkende Änderung der dortigen Steuergesetze könnte zur Rückabwicklung von Cross-Border-Leasing-Projekten führen, mit fatalen finanziellen Auswirkungen für die Kommunen.

Die Banken und Anwaltskanzleien, die an den finanziellen Transaktionen beteiligt sind, sehen naturgemäß keine Risiken; auch viele Politiker bemühen sich um Beschwichtigung: Die Verträge seien so gestaltet, daß den Kommunen keine Nachteile drohen würden. Was allerdings genau in den oft über tausendseitigen Verträgen steht, ist den Entscheidungsträgern meist nicht bekannt. Sie fällen ihre folgenschweren Beschlüsse anhand von zehnseitigen Zusammenfassungen, die ihnen private Vermittler zur Verfügung stellen. Zumal in Berlin ist wohl eine gesunde Skepsis angebracht. Wenn es um die Verquickung von öffentlichem Eigentum und privaten Investitionen geht, hat die hiesige Politik und Verwaltung ihre Inkompetenz, ja ihre kriminelle Energie schon hinreichend unter Beweis gestellt.

Thorsten Friedrich

 
 
 
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