Ausgabe 04 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Der Alex ­ Berlin sucht den Superplatz

Berlins erste Online-Bürgerbeteiligung zementiert den Planungsstillstand

Wie der Alexanderplatz in ein, zwei Jahrzehnten aussehen wird, weiß niemand. Nach über zehn Jahren Planung hat nur einer der zehn Wolkenkratzer, die den Platz eines Tages beherrschen sollen, konkrete Chancen auf Verwirklichung. Die Gestaltung der Platzfläche allerdings will der Senat schon jetzt festlegen.

Obwohl das städtebauliche Verfahren eine Bürgerbeteiligung in dieser Phase gar nicht vorschreibt, gibt sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung um die Einbindung der Öffentlichkeit bemüht. Im Rahmen einer informellen Bürgerbeteiligung erhalten Betroffene und Interessierte Gelegenheit, bei der Gestaltung der Platzfläche mitzureden – allerdings nur über ein sogenanntes „Internet-Forum", das vom Berliner Kommunalberatungsbüro City & Bits organisiert wird und wohl eine Art Testlauf für weitere Beteiligungsverfahren darstellt. Dort kann sich der Bürger online über ein aktuelles stadtpolitisches Thema informieren und schriftlich mitdiskutieren.

Bis zum 13. Mai werden erste Ideen gesammelt. Ausgehend von einer informellen Bestandsaufnahme und einer Nutzen-Mängel-Analyse werden Vorschläge zu folgenden Themen angeregt und diskutiert: Wie soll der Platzbereich genutzt werden? Finden weiterhin Märkte statt? Welches Material wird als Belag verwendet, wie soll die Beleuchtung aussehen? Wie soll der Platz von den umliegenden Straßen für Fußgänger erreichbar sein?

Am 14. Mai präsentiert die Senatsverwaltung dann in einem „Architekturgespräch" ihre eigenen Vorarbeiten. Auch die Ergebnisse des Internet-Forums werden hier vorgestellt und diskutiert. Anschließend wird die Diskussion bis zum 27. Mai fortgesetzt. Die Diskussionsergebnisse bilden schließlich die Basis für einen anonymen, begrenzten „Ideen- und Realisierungswettbewerb", der im Herbst entschieden wird. Die Jury besteht aus Vertretern der Investoren und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Unabhängige Fachexperten sind ausgeschlossen, ebenso Vertreter der beteiligten und betroffenen Bürger. Die Jury wird lediglich von einem Sachverständigenrat beraten.

Die Realisierung soll dann in mehreren Stufen, parallel zur Entwicklung der Hochbauprojekte erfolgen. Konkret wird es also vorerst wohl nur im Bereich zwischen der Straßenbahntrasse und dem Streetball-Court, wo 2006 bis 2008 der texanische Grundstücksentwickler HINES als erster Investor einen Baublock errichten will.

So lobenswert die Idee einer internetgestützten Demokratisierung von Stadtplanung ist – einen entscheidenden Einfluß wird das Forum nicht haben. Potentielle Interessenten ohne Internetzugang, in erster Linie Rentner, sind faktisch von der Beteiligung ausgeschlossen. Auch unabhängige Experten werden nicht urteilsbildend miteinbezogen.

Außerdem ist offensichtlich, daß die wirklich prägenden Vorgaben nicht zur Debatte stehen. Selbst eine wirkliche Einbeziehung der Öffentlichkeit hätte in dieser fortgeschrittenen Phase nurmehr kosmetische Auswirkungen: Nicht der Oberflächenbelag oder die Farbe der Laternen werden den Aufenthaltscharakter des künftigen Alexanderplatzes prägen, sondern die Kaufhäuser und Bürotürme, auf die sich der Senat festgelegt hat. Angesichts der schweren wirtschaftlichen Krise, deren Ende nicht absehbar ist, wird es noch viele Jahre dauern, bis die Platzrandbebauung Form annimmt.

Schade, daß man sich diese Fehlplanung nicht als solche eingestehen kann. Wer das städtebauliche Verfahren kennt, weiß, daß es realisierungswürdige Alternativen gäbe. Auch nach zehn Jahren Stillstand findet der Senat nicht den Mut, den Alex der Gegenwart zu gestalten.

Matthias Heister

> Informationen unter:
www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/wettbewerbe/bb-alex/index.shtml

 
 
 
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