Ausgabe 04 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Historisch, fürchterlich

„Was die Berliner Politiker nicht schafften, der Bundestag hat es inzwischen beschlossen: Abriß des ehemaligen Palastes der Republik und Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, des Preußenbaus...

Ja, meine lieben Gäste, ich kann es nicht ändern, linker Hand so viel Kulturgeschichte mit Museumsinsel, Lustgarten, Berliner Dom, rechte Hand ist 'ne fürchterliche Ecke. Und das ausgerechnet Unter den Linden, das ausgerechnet hier an dieser historischen Ecke, im historischen Kern Berlins, der alte Schloßplatz. Mal sehen, wann das Bild endlich besser wird. Wenn Sie mal nach links schauen: Hinter dem Schinkelschen Alten Museum taucht nämlich gleich eines unserer fünf Museen der Museumsinsel auf – die Museumsinsel hat fünf Museen, deshalb auch der Begriff Museumsinsel – zwischen den beiden Spreearmen, nämlich unsere Alte Nationalgalerie. Können Sie sich erinnern: Auf dem Kulturforum in der West-City haben wir die Neue Nationalgalerie am Potsdamer Platz gesehen, das hier ist die Alte Nationalgalerie, der klassiche Bau aus Zeiten Friedrich Wilhelm des Vierten, Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie ist das einzige unserer fünf Museen der Museumsinsel, das komplett saniert ist – und seit über einem Jahr bereits geöffnet. Ein Schmuckstück – und so können die anderen vier Museen auch mal aussehen...

Dann hier, hinter dem Zelt entsteht die Preußische Kommandantur, ein historisches Haus, das der Bertelsmannverlag baut. Damit bekommen die Linden wieder ein kleines historisches Stück dazu. Hier links zu sehen: die Baustelle an der Schloßbrücke mit den acht allegorischen Figuren Karl Friedrich Schinkels. Ich sag's gerne noch einmal: Sie stellen in ihrer Reihenfolge das Leben eines Kriegers dar, angefangen von der Geburt bis zum Tod, bis zum Sterben, bis zur tödlichen Verletzung, immer von Göttinnen begleitet. Jetzt noch mal links hinüber zum Schloßplatz: Zur Sommerzeit eine herrliche Ecke zum Flanieren, am besten wirklich zum Bummeln, mal hier die Seele herauszulassen...

Meine lieben Gäste, jetzt auf der Brücke vor uns, über der Spree, werden wir dann einen Blick auf die Museumsinsel haben. Auf zwei andere Museen, die wir so nicht sehen konnten bisher: Sie besteht ja aus fünf Museen, die übrigens allesamt heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören, eine ganz bedeutende Liste. Schauen Sie einfach mal links hinüber. Momentan wird das Bodemuseum ­ an seiner mächtigen Kuppel zu erkennen ­ noch saniert. Und daneben mit dem doppelten Spitzdach und den Säulenhallen, das ist bereits das weltberühmte Pergamonmuseum.

Das Pergamonmuseum, das kam als letztes dazu, nämlich 1930, und ist damit mindestens schon mehr als 70 Jahre alt. Hundert Jahre vor dem Pergamonmuseum, also 170 Jahre zurück, entstand ja dann das Alte Museum als ältestes Berlins. Man kann's auch so sagen: Museumsinsel bereits 170 Jahre alt...

Wir kommen zur Straße Unter den Linden, zum berühmten preußischen Prachtboulevard zurück. Wenn Friedrich der Große erzählen könnte, der könnte eine Story erzählen. Der ist ja nicht bloß dreimal beerdigt worden, der hat nicht nur eine Odyssee erlebt mit seinen Grabstätten, in Potsdam, in Hechingen auf dem Hohenzollernschloß und eben hier in Berlin. In Berlin ist er nicht beerdigt worden, aber hier steht sein Denkmal. Auch das ist immer mal wieder hin- und hergeschoben worden, bis 1981 war es ja in Potsdam, kam dann noch zu DDR-Zeiten nach Berlin Unter den Linden zurück, da stand es auch nicht richtig. Aber jetzt ­ nach der Restaurierung vor Jahren ­, jetzt hat es seinen endgültigen, seinen historischen Platz wiedergefunden, an seinem eigenen Forum, dem Linden-Forum, oder kurz gesagt, dem Fredericianischen Forum."

> Aufgenommen in einem Top-Tour-Bus am 24. April 2003.

 
 
 
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