Ausgabe 03 - 2003

berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

15 Millionen Zuckerrüben,
60 Millionen Fluggäste

Berlin-Brandenburgs größenwahnsinnige Flughafenpläne

Die seit Jahren betriebene Privatisierung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) gilt als gescheitert. Die derzeitigen Gesellschafter, die Länder Berlin und Brandenburg sowie die Bundesrepublik Deutschland, lehnten das gemeinsame Kaufangebot von Hochtief und IVG ab, weil zu viele Risiken auf den Staat abgeschoben werden sollten. Der Kaufpreis hätte mit 290 Millionen Euro noch nicht einmal dem entsprochen, was die BBF für den Aufkauf der wertlosen Grundstücke des „Baufeld Ost" Anfang der neunziger Jahre verpulvert hatte. Der Regierende Bürgermeister Wowereit forderte daraufhin die staatliche Finanzierung des umstrittenen Großflughafens in Schönefeld: „Das sind Beträge, die zu stemmen sind." Zu stemmen wären laut Finanzsenator Sarrazin 1,7 Milliarden Euro. Es ist also mit dem Doppelten zu rechnen.

Der Geschäftsführer der BBF, Dieter Johannsen-Roth, ist nun damit beschäftigt, einen Bericht zu erarbeiten, auf dessen Grundlage endgültig entschieden werden soll, ob die Verhandlungen vielleicht doch noch zu einem Abschluß gebracht werden können. Sarrazin hat die Bieter unterdessen aufgefordert, ihr Angebot nachzubessern ­ „oder es wird nicht zur Annahme kommen". In diesem Fall sind allerdings Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe seitens Hochtief und IVG zu erwarten.

Aber weder in der Bundesregierung noch in den beteiligten Landesregierungen stellt man das ganze Projekt in Frage. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns hält den Ausbau von Schönefeld wegen steigender Fluggastzahlen für unverzichtbar. Er bezieht sich auf Studien, die von 30 Millionen Fluggästen im Jahr 2023 ausgehen. Ursprünglich war man sogar noch größenwahnsinniger und peilte eine Größenordnung von 60 Millionen jährlich an – tatsächlich sind es derzeit 13 Millionen. Eine andere Studie, auf die sich das US-amerikanische Time Magazine bezieht, kommt dagegen zu dem Schluß, daß der Irak-Krieg die Hälfte der US-amerikanischen Fluggesellschaften unmittelbar in die Pleite treiben wird. Offenbar ist auch der Flugverkehr keine ewig boomende Branche.

Um die begehrten Berliner Fluggäste buhlen darüberhinaus noch weitere Flugplätze, der Flughafen Leipzig/Halle zum Beispiel oder der geplante Großflughafen bei Stendal, direkt an der ICE-Strecke nach Wolfsburg. So richtig ernst nimmt man die Konkurrenz allerdings in Berlin und Brandenburg nicht. Zu Stendal sagte der Brandenburger Raumordnungsminister Wolfgang Birthler: „Dieser Standort würde sich eher für 15 Millionen Zuckerrüben anbieten."

Merkwürdigerweise scheint ein viel läppischeres Projekt deutlich mehr Respekt einzuflößen. Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair möchte den ehemaligen Militärflugplatz Neuhardenberg im Landkreis Märkisch Oderland auf eigene Kosten ausbauen und für internationale Flüge nutzen. Während man in der Brandenburger Landesregierung geneigt ist, die dazu nötigen Genehmigungen zu erteilen, tönt der Senat, der Schönefelder Flughafen Berlin-Brandenburg International müsse Konkurrenzschutz genießen und Brandenburg verabschiede sich von ihm, sollte es den Ausbau eines anderen Flughafens zulassen. Die wesentlichen Fragen drohen bei den Streitereien in Vergessenheit zu geraten: Wozu ein Flughafen überhaupt gebraucht wird und welchen Sinn es macht, den Flugverkehr immer weiter zu steigern, wird bei all dem kaum noch diskutiert.

Souhaile Andrawes

 
 
 
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