Ausgabe 03 - 2003

berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Selbstverwaltung und Kulturmanagement

Das Haus Schwarzenberg will nicht aufgeben

Nun also das Schwarzenberg. Das selbstverwaltete Kulturhaus am Hackeschen Markt kommt am 24. April unter den Hammer. Die Erbengemeinschaft, die das Haus in der Rosenthaler Straße 39 vor zwei Jahren rückübereignet bekommen hatte, hat sich aufgelöst; nun will sie ihr Erbe versilbern. 3,3 Millionen Euro ist das Mindestgebot. Wer solche Summen aufbringt, wird sich kaum mit der Verwaltung einiger grauer, altersfleckiger Höfe voller wuselnder Kulturschaffender zufriedengeben. Er wird investieren und das Schwarzenberg seiner Umgebung anpassen, den sahnetortigen Rosenhöfen etwa, wo Architekt Hinrich Baller seine Kinderspielzimmer-Träume ausgelebt hat, oder den schönheitsoperierten Hackeschen Höfen, deren kalter Kitsch kaum mehr als teure Läden und billiges Amüsement hervorbringt – Marktwirtschaft eben, die zuerst die Rendite und erst dann die kulturelle Produktivität im Auge hat.

Angesichts dieser Gefahr riefen die Mitglieder des Schwarzenberg e.V. die „Aktion Territorium jetzt!" aus. Sie wollen das Haus selbst kaufen, mit Eigenmitteln, Krediten, öffentlichen Förderungen und Spenden. T-Shirts werden verteilt und Pässe der „Freien Republik Schwarzenberg" ausgestellt. Eine Reihe stadtbekannter Künstler hat sich solidarisiert und überläßt eigene Werke zur Versteigerung, „temporäre Botschaften" stellen den Kontakt zu anderen Kulturzentren her, Politiker haben ihre Unterstützung zugesagt.

Die Schwarzenberger sind stolz darauf, daß sie die Instandsetzung des seinerzeit weitgehend verfallenen Gebäudes allein bewältigt haben und auch sonst keinerlei staatliche Förderung benötigen. Die Mieten und die Verteilung der Räume werden solidarisch gewichtet: Die kommerziell erfolgreicheren Nutzer zahlen mehr, die anderen weniger, bei wachsendem Flächenbedarf gibt es Räume dazu, bei sinkendem werden welche abgegeben. Dem kulturellen Leben im Haus hat das gut getan; es bietet eine gesunde Mischung verschiedener Einrichtungen: ein Programmkino, zwei kleine historische Museen, Galerien und etliche Ateliers, einen Verlag und mehrere Produktions- und Medienfirmen, dazu das richtige Maß an Gastronomie.

„Wirtschaftlich effizientes Kulturmanagement" nennt das der Sprecher des Schwarzenberg e.V., Henryk Weiffenbach, und fügt hinzu: „Der freie Markt wäre für so etwas ein ungeeignetes Instrument". Das ist zu sanft formuliert. Der Markt ist ein Feind solidarischer Konzepte und kultureller Experimentierfreude; er duldet keine anderen Götter neben sich. Wenn ­ was zu befürchten ist ­ eine substantielle öffentliche Förderung ausbleibt und auch kein toleranter Vermieter das Haus unterstützt, wie es jahrelang die WBM getan hat, dann ist das Schwarzenberg tatsächlich auf sich allein gestellt. Wie will es die Kredite wieder hereinwirtschaften?

Es gibt in Berlin Projekte, die einfach so weiterwursteln ­ bis zur Pleite oder Räumung. Es gibt auch solche, die sich auf eine winzige, aber treue Klientel kaprizieren, die ewig das gleiche nostalgische Programm geboten bekommt. Und es gibt Projekte, die ihr eigener Investor werden und in ständiger Angst vor dem Bankrott selbst dafür sorgen müssen, daß marktwirtschaftliche Strenggläubigkeit und provinzielle Ordnungswut das Haus bestimmen.

Jede dieser Strategien kann böse ins Auge gehen. Was wird vom konsequent chaotischen Eimer bleiben, wenn dem Hauseigentümer eines Tages die Geduld reißt? Andererseits: Wer geht denn noch in die Kulturbrauerei, wo man bei jedem Konzert damit rechnen muß, daß es von Coca-Cola gesponsert wurde? Wer braucht noch das Tacheles, wenn es, eingekeilt von übelstem Investorenschick, den Touristen die Neunziger vorspielt? Und wer empfindet den Mehringhof noch als inspirierende Umgebung, wo die linke Politik-Szene nicht mehr „den Bullen", sondern minderjährigen „Junkies" das Hausverbot ausspricht, weil sie jedes Pulver für Crack hält? Sind das Zentren der Subkultur oder nur noch Reservate für eine alternde Alternativ-Schickeria, deren ehrenwertes, aber kulturell wenig fruchtbares Hauptinteresse in der Verwaltung von Vereinskassen besteht?

Angesichts der vielen verschwundenen, musealisierten oder kommerziell vereinnahmten Kulturprojekte verfolgen Manche ganz andere Strategien: die echte Zwischennutzung, die sich der Freiräume nur solange bedient, bis sie der Eigentümer wieder gebrauchen kann. In der Clubszene spricht man zu Recht nicht mehr von Orten, sondern von locations, von Standorten, Niederlassungen also, die jederzeit wechseln können. Zum Prinzip erhoben, erscheint dieses Nomadentum freilich eher als Variante der kratzfüßigen Flexibilität, die die Wirtschaft und ihre Politiker uns abzufordern sich angewöhnt haben. „In New York", erzählt ein Bekannter, „ist die Verdrängung so hart, daß die Off-Szene einfach immer auf der Flucht ist."

Auch Berlins Subkultur wird des öfteren mit einem Wanderzirkus verglichen, der alle fünf Jahre einen neuen Stadtteil heimsucht, ihn aufwertet und alsbald wieder verlassen muß: Schöneberg, Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg, Friedrichshain, es ist immer die gleiche Geschichte. Aber sie hinterläßt Spuren. Selbstverwaltete Kulturhäuser müssen zwar Kompromisse machen, aber sie bleiben allemal offener und lebendiger als die Shopping-Höfe oder Anwaltsbüros, die sonst an ihrer Stelle wären. Sie lassen auch finanzschwaches Publikum zu, geben auch unrentablen Projekten eine Chance und bieten neuen Initiativen Platz. In der Spandauer Vorstadt ist das geradezu überlebenswichtig: Die drohenden Kürzungen bei der Atelierförderung und die Schliessung der nahe gelegenen Milchhöfe (s. auch Seite 6) bedeuten einen schweren Schlag für die Subkultur in Mitte, die nun vollends zum hohlen Mythos zu werden droht. Das Schwarzenberg ist hier einer der letzten Orte, der noch anderes Leben beherbergt als gestreßte Dienstleister und ihre selbstgefälligen Kunden. Das Schwarzenberg muß bleiben.?

Otto Witte

> Haus Schwarzenberg, fon: 30872573/ 38, www.haus-schwarzenberg.org

Foto: Knut Hildebrandt

 
 
 
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