Ausgabe 03 - 2003

berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Offenes Haus, dunkle Mächte

Die Reste des abgefackelten Bolle-Marktes an der Ecke Skalitzer/Wiener Straße, die seit 1987 an die Kreuzberger 1. Mai-Feierlichkeiten gemahnen, könnten bald verschwunden sein. Noch in diesem Jahr will der Islamische Verein für wohltätige Projekte e.V. (IVWP) dort ein islamisches Kulturzentrum errichten. Um der unvermeindlichen Überfremdungshetze zuvorzukommen, stellte Birol Uçan vom Vereinsvorstand auf einer Bürgerversammlung erste Planungen vor. Das Projekt scheint allerdings noch auf wackligen Füßen zu stehen; weder das finanzielle noch das inhaltliche Konzept wurden überzeugend dargelegt.

Und schon gar nicht das ästhetische: Wer eine kluge architektonische Adaption der muslimischen Kultur Kreuzbergs erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Die Moschee ist – wie immer – in den Hinterhof verbannt; von vorne ist das Gebäude ein stinknormaler siebengeschossiger Geschäfts- und Bürobau mit einem naiven orientalischen Fassadendekor und albernen Minarettchen irgendwo auf dem Dach. Passend zur Shopping-Mall-Architektur der Name: „Maschari Center". Offenbar braucht der Verein Kredite. Denn die ca. 10 Millionen Euro Baukosten werden, wie Uçan zugeben mußte, kaum über Spenden hereinkommen.

Die Kreuzberger Öffentlichkeit ist verwirrt. Ist Uçan nun ein Träumer, ein Geschäftemacher oder gar ein Agent finsterer islamistischer Mächte? Auf der Bürgerversammlung scheute man vor den absurdesten Fragen nicht zurück: Wo die „Betbrüder" parken und die Frauen beten würden, wurde ebenso abgefragt wie die Vereinsstruktur und der geographische Hintergrund der bislang unbekannten Gruppe. Obwohl der IVWP theologisch geradezu provokant liberale Ansichten vertritt, befürchtet offenbar mancher, daß Bin Laden persönlich dahintersteckt. Besonders mißtrauisch zeigte sich der Vertreter der CDU, dessen eigener Verein sich weder durch haushälterische Transparenz, noch durch religiöse Neutralität auszeichnet. Er wollte die „Hintermänner" wissen und bestand ­ Integration mit Missionarsarbeit verwechselnd ­ auf ein „offenes Haus, wie unsere Kirchen".

Obwohl auch tolerante Stimmen zu Wort kamen, war der Eindruck verheerend: Während man sonst auch dem windigsten Projektentwickler bei der Finanzierung und Nutzungsstruktur seines Baus blind vertraut, ist bei einem muslimischen Bauherren keine Kontrolle zu streng. Die „Regelanfrage beim Verfassungsschutz" für Bauträger, die Baustadtrat Franz Schulz ironisch vorschlug, fände bestimmt Zustimmung.

Völlig in den Hintergrund geriet das Ereignis, das die aufschlußreiche Debatte überhaupt erst ermöglicht hatte. Bedauerlich: Daß der Kreuzberger 1. Mai auch städtebauliche, gar religionspolitische Folgen haben kann, wird kaum je bedacht. Egal, wie häßlich und unrentabel der Bau am Ende wird – wenn hier tatsächlich ein islamisches Zentrum entstehen sollte, wäre das wohl der größte Erfolg, den die Krawalle je hatten ...

jt

 
 
 
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