Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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musik für die massen

Neubestimmung

Musiker der elektronischen Spielart verstehen sich immer – irgendwie – als innovativ, auch wenn sie ständig nur das gleiche Programm abspulen. Besonders groß ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wenn Compilation-Serien aktuelle Updates versprechen, aber nur lauwarmen Aufguß liefern. Anders das Label Mille Plateaux mit der Reihe Clicks & Cuts: Huldigte die erste Doppel-CD noch dem elektronischen Minimalismus, so öffnete sich die zweite schon stärker melodischen Strukturen. Clicks & Cuts 3 geht noch einen Schritt weiter und orientiert sich in Richtung Tanzfläche. In diesem Zusammenhang versteht Labelgründer Achim Szepanski die aus dem alten Kontext herausgeschnittenen „Cuts" als Fragmente, die eine neue musikalische Funktion übernehmen, und das nennt er bezeichnenderweise „Cut-Copy-Paste-Funk". Eingelagert und zwischengeschichtet sind die „Clicks" – also die elektronischen Zwischen- und Störgeräusche. In einer hübschen Zwischenbewegung verhindern diese Vereinheitlichungen und schaffen dabei gleichzeitig Übergänge und Verbindungen. Wenig erstaunlich, daß bei der musikalischen Qualität und der theoretischen Hintergrundbeleuchtung Clicks & Cuts zum feststehenden Begriff im Bereich der elektronischen Wucherungen geworden ist.

Dieses Umkreisen des Dancefloors mit unterschiedlichen Stilmitteln betreiben auch Swimmingpool. Eigent-lich stehen hinter Swimmingpool zwei Musiker mit klaren Aussagen: Michael Scheibenreiter als ein Teil des Drum'n'Bass Duos Phoneheads und Stefan Schwander, der unter anderem als Antonelli electr. in Sachen House und Techno ebenso eindeutige Vorstellungen für die Verwendung von Baßlinien hat. Zusammen haben sie ihr Betätigungsfeld deutlich erweitert. Mit gedubten Melodie- und Elektronik-Sprengseln schweben sie über die Tanzfläche. Warum sie ihre CD mit Anything that doesn't move (Combination Records) betitelt haben, bleibt ihr Geheimnis, denn ihre Tiefsee-Baß-Sonar-Abtastungen sind rund und umschmeicheln weich und fordernd das Muskelgewebe.

Als dritte Veröffentlichung in dieser Reihe der Soundexkursionen steht die Doppel-CD Reset The Preset (Virgin). Martin Gretschmann aka Console spielt mit einer gewissen musikalischen Ambivalenz: Preset ­ Voreinstellung ­ bleibt im vertrauten Console-Kontext: Acht Ambient-Tracks im gedehnten Tempo verbreiten eine entspannte Atmosphäre. Auf Reset hingegen sorgt der Gesang von Miriam Osterrieder vor Gitarrensamples, melancholisch angehauchten Pling-Plang und Drum'n'Bass-Einläufen für kickenden Pop-Appeal. Beide CDs ergänzen sich großartig ­ eine zum chillen und eine als warm-up.

Marcus Peter

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  Ausgabe 2 - 2003