Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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White Cube mit Einschußlöchern

Die Galerie Murata and friends ist eine Anlaufstelle für japanische Künstler

White Cube

Fotos: Knut Hildebrandt

Versteckte Orte bergen oft ein Geheimnis. Dies kann man auch zu Recht von der Galerie Murata and friends behaupten. Im zweiten Stock des Hinterhauses vom Haus Schwarzenberg, das sich so wohltuend gegen den aufgesetzten Glanz und Glitter der anderen Gebäude am Hackeschen Markt abhebt, findet man hinter einer sehr schmalen Tür die kleine Galerie. Derzeit zeigt der japanische Künstler Yoshiaki Kaihatsu zwei Installationen, die er eigens für diesen Ausstellungsort entwickelt hat.

Im ersten Raum bedecken nutzlos gewordene Styroporverpackungen, wie man sie zum Schutz von CD-Playern oder Waschmaschinen in Kartons verwendet, die Wände und lassen nur die Durchgänge zu den Nebenräumen frei. Beleuchtet durch einige schmale Neonleuchten ist diese Installation eigenartig grell. Der Künstler verwandelt die Galerie in einen klassischen White Cube und ist doch meilenweit entfernt von einem sterilen, gesichtslosen Raum. Aus dem gefundenen Abfall formt er ein alles überdeckendes Spiel mit Licht und Schatten; aus wertlosem Abfall wird ein kostbar erscheinendes Zimmer.

Im Raum nebenan sind auf Boden und Wände winzige Pappmachéberge verteilt, die auf den ersten Blick an Miniaturen von Südseeinseln erinnern. Tatsächlich aber sind es Abdrücke von Einschußlöchern aus dem Zweiten Weltkrieg, die Kaihatsu noch immer an Berliner Hausfassaden entdeckt. Beide Installationen fertigte der 1966 geborene Künstler in drei Wochen intensiven Arbeitens in Berlin an. Ermöglicht wurde dies durch das Engagement des jungen Galeristen Manabi Murata und seiner Partnerin Eri Kawamura, die in ihrer Galerie einen Wohn- und Arbeitsraum für auswärtige Künstler eingerichtet haben.

Die Galerie hat sich so zu einem bedeutenden Ort für junge japanische Kunst entwickelt und ist wichtige Anlaufstelle sowohl für Künstler, als auch für an japanischer Kunst jenseits von üblichen Klischeebildern Interessierte. Es werden aber nicht nur japanische Künstler ausgestellt, sondern auch Berliner Künstler, wie z.B. Karin Baetz oder Henrik Jacob.

Begonnen hat das ganze Projekt 1999, als der 1971 in Berlin-Mitte geborene Manabi Murata von einem Studienaufenthalt aus Japan zurückkehrte und das kaputte Stockwerk im Seitenþügel vom Haus Schwarzenberg entdeckte. Er renovierte es selbst, zunächst mit der Absicht, ein japanisches Teehaus und einen kleinen Ausstellungsraum für japanische Künstler zu eröffnen. Das kleine Teehaus wurde nie realisiert, denn schon bald wollten so viele Künstler hier ausstellen, daß sowohl Zeit als auch Platz dafür fehlten.

Für Künstler aus Japan bedeutet diese Galerie eine großartige Anlaufstelle, denn in ihrer Heimat gibt es kaum Sammler junger, experimenteller Kunst. Und in Europa werden ihre Werke oft nur als exotische Füllsel ins Ausstellungsprogramm von Galerien und Museen aufgenommen. Hier aber werden sie von Manabi Murata und Eri Kawamura ernst genommen.

Allerdings ist dieses Galerieprojekt akut gefährdet. Das Haus Schwarzenberg, das durch seine Mischung von Kino, Kneipen, Büros und Galerien auffällt, soll schon bald von der jüdischen Erbengemeinschaft zum Verkauf gestellt werden. Bislang konnten Projekte wie Murata and friends noch durch die Büro-Mieten subventioniert werden. Hier funktioniert ein vielbeschworenes Konzept, wie es bei der Kulturbrauerei trotz öffentlicher Förderung gescheitert ist. Es wäre sinnvoller, einen Zuschuß zum Kauf dieses Hauses zu leisten, als andere, gescheiterte Projekte immer weiter zu finanzieren.

Denn wie man an der Galerie Murata and friends sieht: Die kleinen versteckten Orte bergen oft ein Geheimnis, und dieses zu schützen, ist auch Aufgabe des Senats. Anderenfalls könnte bald ein unkompliziertes, dafür um so wirkungsvolleres Kulturaustauschprojekt ein Ende haben.

Spunk Seipel

> Die Ausstellung von Yoshiaki Kaihatsu ist noch bis 29. März zu sehen, geöffnet von Mi bis Fr von 13 bis 19 und Sa von 12 bis 18 Uhr. Murata and friends, Rosenthaler Str. 39, Mitte

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