Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
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Verunsicherung statt Widerstand

Der schwere Stand des Anti-Hartz-Bündnisses

Am Anfang stand der Job-Floater. Dann folgten Ich-AG, Mini-Job, Personal Service Agenturen (PSA) und Leiharbeit. Die Umstrukturierung des Arbeitsmarktes wird häppchenweise mit spritzigen Schlagwörtern präsentiert. Langsam nur dringen deren Inhalte und Konsequenzen ins Bewußtsein der Öffentlichkeit. Sobald sich erste zaghafte Gegenwehr formiert, wird flugs der nächste Brocken in die Runde geworfen. Die Bundesregierung peitscht die Hartz-Gesetze in einem beispiellosen Tempo durch die Instanzen. Bei den Betroffenen lösen die Umstrukturierungen mehr Verunsicherung als Widerstand aus.

Vor allem Erwerbslose sind verängstigt. Erwerbslosengruppen wie der Arbeitslosenverband Berlin (ALV) verzeichnen einen wahren Ansturm von Ratsuchenden. Widerstand geht von hier kaum aus. Der Arbeitslosenverband plane eine bundesweite parlamentarische Petition, so Marion Drögsler, Pressesprecherin des ALV. Ansonsten beteilige man sich an bestehenden Bündnissen und sehe seine Hauptaufgabe in der Beratungstätigkeit. Gleichzeitig spürt der Verband unmittelbar die Auswirkungen der Arbeitsmarktpolitik: Weil ABM und SAM- Maßnahmen wegfielen, mußten bereits einige Beratungsstellen geschlossen werden.

Für Ulla Pingel von der AG Aktive Erwerbslose der Gewerkschaft ver.di ist die Informationspolitik der Bundesregierung ein Grund dafür, daß die Umstrukturierungen derzeit kaum auf gesellschaftliche Gegenwehr stoßen. Sie verweist darauf, daß die Gewerkschaften, anders als zu Zeiten Willy Brandts, kaum noch Einfluß auf die Politik der neoliberalen Regierungspartei SPD hätten. Das ist nicht weiter verwunderlich, möchte man hinzufügen, betreiben doch die Gewerkschaftsvorstände mit servilem Opportunismus schwungvoll die eigene Demontage.

Die Vorstände der Einzelgewerkschaften und des DGB befürworten das Hartz- Konzept grundsätzlich als „Schritt in die richtige Richtung". Kritisiert werden nur einzelne Punkte. Zuletzt einigte sich am 24. Februar der DGB inklusive seiner Einzelgewerkschaften mit dem Bundesverband für Zeitarbeit (BZA) auf Tarif-Eckpunkte für die PSA-Zeitarbeit. Die DGB-Tarifgemeinschaft wolle die Arbeitsbedingungen in der Leiharbeitsbranche mitgestalten, kommentierte entschuldigend Jörg Wiedemuth von der tarifpolitischen Grundsatzabteilung ver.dis.

Aber immer mehr gewerkschaftliche Basisgruppen machen mobil gegen das Hartz-Konzept. Orts-, Landes- und Bezirksverbände von ver.di, GEW, IG Medien und IG Metall üben mehr und mehr Druck auf die Vorstände aus. Dieser bisher diffuse Widerstand bekommt nun eine neue Qualität. Das Anti-Hartz-Bündnis hat im März Initiativen verschiedener Gewerkschaften zu einer Ideenkonferenz eingeladen. Dabei geht es um die Vernetzung und Koordination der Gegenwehr auf unterster gewerkschaftlicher Ebene.

Von den Hartz-Plänen seien vollkommen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen betroffen: Erwerbstätige und Erwerbslose mit betrieblichen und nichtbetrieblichen Interessenvertretungen, meint Renate Hürtgen, Aktivistin des Anti-Hartz-Bündnisses. Diese Heterogenität erschwere einen koordinierten Widerstand. Das Anti-Hartz-Bündnis versucht den Brückenschlag zwischen den Initiativen und Einzelpersonen mit dem Ziel, dieser neuen Qualität von Sozialabbau ein breites außerparlamentarisches Oppositionsbündnis entgegenzustellen.

Viele der Gruppen sind inzwischen bundesweit vernetzt. Von einer breiten gesellschaftlichen Gegenbewegung, die z.B. einen Generalstreik auslösen könnte, kann jedoch noch keine Rede sein. Zu dem Aktionstag, der die Tarifverhandlungen zwischen DGB und dem Bundesverband für Zeitarbeit zum Inhalt hatte, waren etwa 20 Gegendemonstranten erschienen.

Anke Engelmann

> Am 1. April, dem Tag der PSA finden bundesweite Aktionen gegen Leiharbeit statt. Informationen unter www.anti-hartz.de, www.labournet.de und www.gegeninformationsbuero.de

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