Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Die Standortfrage

Ende letzten Jahres kam Leben auf ein brachliegendes Grundstück in der in Besetzerangelegenheiten traditionsreichen Rigaer Straße. Direkt gegenüber dem „Lauschangriff" siedelte sich nach einer Reihe von Spontanbesetzungen die Wagengruppe Convoi an. Sie hatte sich Anfang 2002 zusammengefunden und war seitdem auf der Suche nach einem geeigneten Areal gewesen, aber immer wieder vertrieben worden. In der Rigaer erteilte der Bezirk als mutmaßlicher Eigentümer eine Duldung „bis Frühjahr" und zeigte sich kooperativ. Die WagenbewohnerInnen machten das Gelände nutzbar, entsorgten den Müll und stießen auf sehr positive Resonanz seitens der Anwohner.

Aber dann stellte sich heraus, daß das Grundstück bereits der Berliner Liegenschaftsfonds GmbH & Co. KG übertragen worden war. Und diese gibt sich deutlich rigoroser. In einem Anschreiben verwies die landeseigene Gesellschaft auf ihre Verpflichtung, „sich wie ein wirtschaftlich denkender Kaufmann" zu verhalten. Eine kostenlose Überlassung hingegen mache „eine wirtschaftliche Nutzung unmöglich". Nun sollen Verhandlungen beginnen, und die zwölf WagenplatzbewohnerInnen müssen um ihren Stellplatz bangen.

Dirk Westphal, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Convoi, macht deutlich, daß sich alle bewußt für diese Wohnform entschieden haben, um „dem Trend zur Vereinzelung entgegenzuwirken, Solidarität zu leben und selbstbestimmtes, alternatives Wohnen zu verwirklichen". Es geht ihnen um einen „open space", wo sich alle „unabhängig von Verwertungsprozessen sozial, kulturell und politisch verwirklichen" können: Vokü, Kino, eine Tauschbörse sowie Kinderattraktionen sind geplant. Der Convoi fordert ausgewiesene Areale für experimentelles Wohnen, eine Änderung des Baurechts zugunsten von Wagenplätzen und die Abkehr von der Berliner Linie, die vorsieht, Wagenburgen möglichst umgehend zu räumen, ohne ihnen Ersatzflächen anzubieten.

Bleibt zu hoffen, daß die Verhandlungen erfolgreicher verlaufen als beim Schwarzen Kanal an der Schillingbrükke – der muß nämlich ab dem 30. April sehen, wo er bleibt. Trotz langwieriger Verhandlungen und großer Kompromißbereitschaft wird der Stellplatz aufgelöst.

mw

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